Zu den Vorwürfen gegen Steinbrück wegen „Schach-Affäre“
Peer Steinbrück hat als Finanzminister bei Post und Telekom für eine Schachveranstaltung geworben. Das ist ein Skandal. Meint FOCUS. Lächerlich.
Man fragt sich manchmal wirklich, wie es um die Qualität der Berichterstattung über Politiker steht. Jetzt wird – kurz vor seiner möglichen Kandidatenkür – gegen Peer Steinbrück ein Schreiben aus dem Jahr 2006 instrumentalisiert und zu einem Skandal hochgejazzt.
Die Fakten: Peer Steinbrück hatte Post und Telekom auf Ministeriumspapier für einen Wettkampf des Computers „Deep Fritz“ gegen den damaligen Weltmeister Vladimir Kramnik geworben. Erfolglos zwar, aber das klingt nach Vorteilsnahme. Schwups. Da ist der Skandal. Der Mann ist untragbar.
FOCUS investigativ
Der FOCUS ist verantwortlich für diese „Enthüllungsgeschichte“. Das Magazin meldet in einem von mehreren Artikeln mit Fragezeichen: „Parallelen zu Möllemanns Briefkopf-Affäre: Stolpert Steinbrück über Schachturnier-Affäre?„. Der Skandal wurde von FOCUS zusätzlich angerührt mit dem Hinweis, es habe sich mit Bonn um den Wohnort des Politikers gehandelt. Noch mehr Skandal.
Man lernt von FOCUS, die mal mit dem Spruch „Fakten, Fakten, Fakten. Und an die Leser denken“ angetreten waren, wie man sich in München ein Skandaldrehbuch vorstellt: Immer gut sind ein oder zwei Experten, die sich empören. Ein historischer Vergleich sorgt dann für die richtige Einordnung.
Vorwurf I: Expertenmeinung
FOCUS enthüllt: „Nach Ansicht renommierter Aktienrechtler hätte Steinbrück als Finanzminister nicht um Spenden werben dürfen. Uwe H. Schneider vom Institut für Kreditrecht an der Uni Mainz sieht in dem Brief „eine Aufforderung zur verdeckten Gewinnausschüttung, mindestens aber zu einer Pflichtverletzung“…Auch Aktienrechtsexperte Michael Adams von der Uni Bonn sieht Parallelen zu dem Fall [RR Möllemann]. Er sagte FOCUS, die Bitte Steinbrücks „um ein Millionen-Sponsoring für ein Schachturnier ist mit seiner Stellung als letztlich verantwortlicher Vertreter des Großaktionärs Bundesrepublik nicht vereinbar“. Ricke und Zumwinkel hätten „mit einem Bein im Gefängnis gestanden“, wenn sie der Bitte gefolgt wären, so Adams. „Mancher Staatsanwalt hätte darin eine versuchte Anstiftung zur Untreue sehen können.“
Das ist wirklich an den Haaren herbeigezogen sowie reine Skandalmache. Immerhin: Uwe H. Schneider ist ein anerkannter Experte in Fragen der Managerhaftung. Aber auch erfahrene Juristen können irren, insbesondere wenn sie nur Teilaspekte beurteilen sollen. Ein echter Skandal wäre es allerdings gewesen, wenn der Finanzminister über seinen Einfluss im Aufsichtsrat das Veranstaltungssponsoring durchgesetzt hätte. Er hat aber ein Schreiben verfasst und letztlich einen Korb erhalten. Ein Skandal wäre es auch, wenn Steinbrück sich beim Vorstand nach seiner Abfuhr lautstark beschwert hätte. Pustekuchen. Zumindest wissen wir davon noch nichts.
Vorwurf II: Historischer Vergleich
Der Hinweis auf Möllemann ist ebenfalls absurd. Dieser hatte 1992 in einem Schreiben mit dem Briefkopf des Wirtschaftsministeriums für einen „Verwandten“, einen angeheirateten Vetter, geworben. Ausgerechnet. Am 3. Januar 1993 trat Möllemann als Wirtschaftsminister und Vizekanzler zurück. Hier ging es um persönliche Vorteilsnahme. Welchen Vorteil Peer Steinbrück gehabt hätte, erschließt sich zumindest nicht spontan.
Die FDP freut sich jedenfalls über den medialen Aufreger vom Wochenende, der es immerhin in die 20-Uhr-Tagesschau gebracht hat. FDP-Generalsekretär Patrick Döring ist natürlich auf Krawall gebürstet und sagte der WELT: „Herr Steinbrück, der ja gern mit dem erhobenen Zeigefinger droht oder auch mal mit Peitsche oder Kavallerie, wenn es gegen Nachbarn geht, wird Mühe haben, das zu erklären oder gar als korrekt zu deklarieren.“ Und weiter sei Döring“gespannt auf die Reaktionen der Sozialdemokraten. Ein solcher Kanzlerkandidat würde schwer beladen in den Wahlkampf humpeln.“ Ach so. Meint der General der Liberalen, die selbst ernste Probleme mit der eigenen Parteienfinanzierung zu bewältigen haben.
Wie Steinbrück reagiert
Steinbrück erklärte inzwischen den Zusammenhang des Schreibens. Damals gehörte der Wettkampf zum Versuch, eine Schachweltmeisterschaft nach Bonn zu bekommen. Und in der Tat: 2008 fand der Wettkampf um die Schachkrone der Welt in Bonn statt. Vishi Anand und Vladimir Kramnik kämpften im Oktober 2008 um den Titel. Steinbrück hatte Pech und konnte wegen der Finanzkrise nicht an der Auftaktveranstaltung teilnehmen.
WestLB – Wo man suchen sollte
Die angebliche Schach-Affäre wirkt lächerlich und konstruiert. Dabei könnte man Peer Steinbrück durchaus in Bedrängnis bringen. Man müsste dafür mehr recherchieren und wirklich relevante Ereignisse heranziehen: In seiner NRW-Zeit saß Steinbrück dem Aufsichtsrat der WestLB vor. Die Bank steuerte damals auf eine internationale Bühne. Das war strategisch eine fatale Entscheidung, die das Land bereits mehrere Milliarden gekostet hat. Die aufgehäuften Risiken summierten sich auf 77 Milliarden. Hinzu kommen die Skandale der WestLB im Jahrestakt. Zumindest passt das gar nicht in das Bild des Strategen Steinbrück, der als Finanzexperte gilt.
Der Themenkomplex WestLB und Aufsicht durch Politiker ist eher der Stoff für einen Skandal. Ein ungelenkes Schreiben für eine Sport-Veranstaltung mit Werbewert für den Sponsor ist es sicher nicht.
Artikelbild: Hoffmann und Campe Verlag. Buchcover: „Zug um Zug“.