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Warum Mario Draghi im Bundestag reden sollte

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16. September 2012

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Warum Mario Draghi im Bundestag reden sollte

Mario Draghi will die EZB-Politik im Bundestag erläutern. Manche Parlamentarier wollen das nicht. Warum eigentlich?

Per Interview in der Südddeutschen Zeitung hatte Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), seine Bereitschaft erklärt, im Bundestag seine Sicht auf Anleihenkäufe vorzustellen. Draghi selbst spricht das Problem fehlender Akzeptanz in Deutschland offen an. Der Notenbanker sieht die Ursachen für Widerstände gegen seine Politik in der deutschen Geschichte und der Furcht vor Inflation. Mit der Bundesbank wolle er gerne zusammenarbeiten.

Draghi will in Berlin eine Rede halten – nur wo?

Das Angebot von Draghi eines Informationsbesuchs in Berlin wollen viele Parlamentarier nicht ungenutzt lassen. Strittig ist aber, in welchem Gremium Draghi sprechen soll: Im Haushaltsausschuß oder im Parlament. Der Vorteil des Haushaltsausschusses ist sicherlich, dass man Draghi dort befragen kann. Im Parlament fehlt es an diesem Instrument. Aber immerhin könnte Draghi dort der deutschen Bevölkerung erklären, weshalb die Zentralbank Anleihen am Zweitmarkt aufkaufen will, weshalb er angekündigt hat unbegrenzt zu agieren und wie es mit den Bedingungen für diese Hilfen steht. Denn Draghi hat den Aufkauf von Staatsanleihen an den Rettungsschirm geknüpft, was oft gar nicht erwähnt wird.

Laut Süddeutscher Zeitung bedankte sich Parlamentspräsident Norbert Lammert am Freitag für das Angebot Draghis, nach Berlin zu kommen. Der CDU-Politiker will im Ältestenrat „möglichst bald eine Vereinbarung für ein geeignetes Format eines Gesprächs von Herrn Draghi mit besonders interessierten und beteiligten Abgeordneten herbeiführen“. Eine Rede des EZB-Präsidenten im Plenum des Bundestags werde es aber nicht geben.

Man fragt sich schon, was der deutsche Parlamentspräsident damit meint. Die EZB-Politik sollte jeden Parlamentarier interessieren, schließlich stimmen diese über finanzielle Rettungsschirme ab, die unsere Zukunft auf Jahrzehnte beeinflussen. Man sollte volle Ränge voraussetzen und der Parlamentspräsident sollte sich freuen, wenn sein Schäfchen informiert werden. Darum geht es schon seit Monaten im Wettbewerb zwischen Regierung und Parlament.

Führt die EZB-Politik zu Inflation?

Richtig ist sicher: In Deutschland gibt es diffuse Ängste, dass der Euro an Stabilität verliert. Da wird schnell aus Anleihenkäufen gefolgert es müsse daraus ein Preisauftrieb entstehen, die EZB werfe die Notenpresse an, heißt es ganz schnell.Völlig undifferenziert werden innere und äußere Stabilität der Währung betrachtet. „Das ist ein Verrat an der geldpolitischen Tradition dieses Landes.“ So kritisierte FDP-Mann Frank Schäffler Finanzminister Wolfgang Schäuble am Wochenende. Dieser hatte Bundesbankpräsident Jens Weidmann gerüffelt.

Die Theorie von der Notenpresse ist eine sehr mechanistische Sichtweise. Denn nicht nur das Zentralbankgeld in der einen oder anderen Definition ist für steigende Preise verantwortlich, sondern dahinter steckt ein komplizierter Transformationsmechanismus. Zudem kann die Bank versuchen, dem Kreislauf an anderer Stelle Zentralbankgeld zu entziehen. Es ist also völlig ungeklärt, ob durch Maßnahmen der Notenbank tatsächlich Preisauftrieb entsteht.

Die Risiken liegen woanders

Wir wissen von der US-Notenbank Fed, dass Alan Greenspan zu großzügig war und dadurch schädliches Verhalten gefördert hat. Namentlich ist der Handel mit Immobilien zu nennen, der kollektiv von vielen Amerikanern als private Geldverdienmaschine genutzt wurde. Als die Preise fielen, fehlten Sicherheiten und Banken und Schuldner kamen in Schwierigkeiten. Die Welt wurde infiziert, zumal die Kredite verpackt und überteuert verkauft wurden. Solche Blasen dürften die eigentlichen Gefahren einer weniger restriktiven Notenbankpolitik sein. Inflation ist weniger das drängendste Problem.

Auch ist die Frage völlig ungeklärt, ob der Kauf von Staatsanleihen auf dem Zweitmarkt eine Staatsfinanzierung ist. Richtig ist sicherlich, dass die EZB dadurch die Zinsen beeinflusst. Genau das versuchen die Notenbanker auch durch andere Maßnahmen zu erreichen. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass das großzügige Ausreichen von Liquidität an die Banken nicht zum gewünschten Kauf von Staatsanleihen führte – anders als beispielsweise Gregor Gysi in seinem Standardredebeitrag gerne vorrechnet. Die Banken haben nämlich schlicht Angst, die eigenen Depots weiter mit Staatspapieren zu pflastern.

Draghi sollte im Bundestag reden

Der Hinweis eines Fraktionssprechers der Union über eine Rede Draghis im Bundestag beispielsweise lautet (SZ): „Ein großer Auftritt im Plenum wäre nicht angezeigt, weil dieser leicht dahingehend missverstanden werden könnte, dass die Zentralbank in eine Abhängigkeit von der Politik rückt“. Um es mal im Klartext zu sagen: Diese Argumentation ist hanebüchener Unfug, denn ein Auftritt im deutschen Parlament stärkt die EZB.

Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider findet offenbar Gefallen an einer politische Kontrolle der EZB und kann sich auch Wahlen des EZB-Präsidenten vorstellen. So Schneider in der „Bild“-Zeitung. Um auch hier Klartext zu formulieren: Das ist blanker Populismus, denn die EZB soll politischen Interessen möglichst entzogen werden. Es gibt bislang wenig Anlass an der Unabhängigkeit der Notenbanker in Europa zu zweifeln. Allerdings ist es schon fragwürdig, wenn Top-Positionen in der Bundesbank und EZB mit Leuten aus dem engsten Führungszirkel der Macht (Weidmann, Asmussen) besetzt werden. Freilich haben beide nicht gerade deutschen Politikern Freude bereitet in der jüngsten Vergangenheit.

Ob Mario Draghi vorher im Haushaltsausschuß ausgewählten Parlamentariern konkrete Fragen beantwortet, ist ein anderes Thema und kann parallel erfolgen. Eine Rede von Mario Draghi im Bundestag jedenfalls ist ohne Einschränkung sinnvoll für alle Parlamentarier und könnte zudem Vertrauen in der deutschen Bevölkerung schaffen. Wer das verhindern will, der meint es nicht gut mit der Demokratie.

Artikelbild: Quelle Pressefotos EZB.

 

 

 

 

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.