Friday, Nov. 22, 2024

Wirtschaftlicher Ausblick 2013 – die Krise in Europa geht weiter

Written By:

|

27. Dezember 2012

|

Posted In:

Wirtschaftlicher Ausblick 2013 – die Krise in Europa geht weiter

Die europäische Konjunktur ist weiterhin als schwach einzuschätzen und 2013 wird nicht besser. Das Europa der zwei Geschwindigkeiten ist Realität.

Eurostat: Q2 2012. PM 24.10.2012. EL = Griechenland.

Eurostat: Q2 2012. PM 24.10.2012. EL = Griechenland.

Fragt man den Bundesschuldenberater Peter Zwegat, wie man aus finanziellem Chaos herausfindet, dann ist die Antwort klar: Zuerst stellt man eine vollständige Liste aller Schulden, der regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben auf. Dann verhandelt man mit den Vertragspartnern und Geldgebern, ob man seine Schulden teilweise erlassen bekommt. Falls das nicht funktioniert, erklärt man die Privatinsolvenz und dann kommt eine Wohlverhaltensphase, die übrigens jetzt in Deutschland verkürzt werden soll. So einfach geht das mit den Schulden. Die Schulden in Europa bleiben auf einem hohen Niveau. Zuletzt meldete Eurostat im Oktober 2012 einen Schuldenstand für den Euroraum in Höhe von 90 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die EU27-Länder weisen hingegen mit 84,9 Prozent einen geringeren Schuldenstand aus.

Griechenland und Zypern

Das gilt auch für Länder wie Griechenland und Zypern. Peter Zwegat verwendet grundsätzlich große Zahlen und farbige Stifte, um den Schuldnern ihre Situation vor Augen zu führen. Das schafft Transparenz für die Situation und Problembewußtsein.

In Europa läuft das anders ab als bei dem Schuldenberater. Dort wachen geheime Gremien wie die Troika, besetzt von EU, EZB und IWF, über die Situation. Deren Berichte gegen an die Regierungen und sind Verschlusssache – also Kungelkram. Jeder weiß, dass Griechenland nicht einmal genügend hohe Einnahmen hat, um den eigenen Primärhaushalt – das sind alle Ausgaben ohne Zinsen für den Schuldendienst – im Griff zu behalten. Hellas ist faktisch pleite und wird künstlich am Leben erhalten. Bis zur Bundestagswahl sollen der Schuldenschnitt nicht offiziell erklärt werden.

Das ist unverantwortlich und verlängert die Krise in Südeuropa künstlich um einige Monate. Nach der Bundestagswahl könnte es Änderungen bei dieser Strategie geben und zwar egal wer dann in Berlin regiert.

Sowohl Zypern als auch Griechenland sind im Euroraum und haben keine wettbewerbsfähige Wirtschaft mit einem hinreichenden Geschäftsmodell. Die komparativen Vorteile der beiden Staaten liegen in der schönen Insellage und im Fall von Zypern in einer laxeren Regulierung als anderswo. Mit der Gemeinschaftswährung fehlt diesen Ländern der Ausgleichsmechanismus über die Währung und daher bleiben deren wirtschaftlichen Aussichten schlecht. Griechenland sollte sich auf die Konkurrenz zur Türkei als Urlaubsland konzentrieren und nach einem Schuldenschnitt aus dem Euro ausscheiden. Der Rest ist politische Verhandlungssache.

Bei Zypern liegt der Fall anders: Der Inselstaat profitiert vom Euro in Kombination mit seiner investorenfreundlichen Gesetzgebung. Die Aufgabe des Euro macht hier weniger Sinn. Ein Schuldenschnitt wie bei einer Privatinsolvenz wäre hingegen sinnvoll.

Italien

Italien muss den Stillstand eines Jahrzehnts, in dem vor allem Berlusconi das Land durch schlechte Politik gelähmt hat, aufholen. Dazu gehört eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. In Italien finden bereits seit Monaten Debatten statt zwischen Industriellen auf der einen Seite und Gewerkschaften auf der anderen. Das Altersvorsorgesystem verspricht in Europa die höchsten Renten überhaupt. Das ist ein anderes Reformfeld für die neue Regierung, denn finanzierbar ist das staatliche Rentensystem nicht mehr lange.

In Italien gibt es ähnlich wie in Spanien Forderungen nach regionaler Selbstständigkeit. Der relativ reiche Norden – inklusive Südtirol – will nicht mehr für die Verschwendung und Vetternwirtschaft im Süden aufkommen.

Aber Italien ist als Ganzes betrachtet sehr stabil und nachdem in der EU jetzt die Zinsen für die Südländer unter Kontrolle zu sein scheinen, verschärft sich die Krise kaum noch.

Spanien

Die Spanier leiden unter hohen Arbeitslosenquoten und müssen ihre selbstverschuldete Immobilienkrise abarbeiten. Die Flucht der Jungen aus dem Land  des Fußballeuropameisters 2012 ist eine Folge schlechter politischer Weichenstellungen, die zu einseitig auf den Bauboom gesetzt haben. In der Folge kamen die finanzierenden Banken in Probleme und mussten gestützt werden.

Spanien bedarf kreativer Politik, die langfristig Arbeitsmöglichkeiten schafft, damit das Land dauerhaft wieder der Jugend eine Lebensperspektive bieten kann. Ob das die aktuellen Sparkünstler in Europa schaffen ist fraglich, zumal Deutschland nach gut ausgebildeten Mitarbeitern insbesondere in den Ingenieurberufen giert und so der Druck von der Straße abzunehmen droht.

In Spanien sind nicht unerwartet die Separierungsbemühungen mancher Regionen am weitesten fortgeschritten. Hier liegt der vermutlich größte Sprengsatz für das Projekt Europa überhaupt. Sollten sich erste Regionen abspalten, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Italien in Nord und Süd und arm und reich geteilt wird.

Portugal

Die Iberer sind sehr ruhig und arbeiten an ihrem Wiederaufstieg. Die Probleme und Herausforderungen sind vergleichbar mit denen, die Spanien zu meistern hat. Portugal ächzt ebenfalls unter explodierenden Schulden. Besonders in den Jahren 2009 und 2010 war Portugals Defizit (jeweils etwa 10 Prozent des Jahres-Bruttoinlandsproduktes (BIP)) besonders angestiegen. Der Schuldenstand Portugals liegt derzeit über 110 Prozent des BIP.

Frankreich

Die Franzosen haben einen neuen Präsidenten gewählt, der bei aller Kritik an seinem Vorgänger, das Land mit seinen Steuerplänen ins Abseits befördert. Der Abgang von Gerard Depardieu – er will nicht mehr Franzose sein – ist der Ausdruck ein Gefühls der Überbeanspruchung durch den Staat. Für den Außenwert des Euro liegen hier die größten Gefahren. Zwar ist ein schwächerer Euro kein grundsätzliches Problem jenseits der deutschen Talkshow-Betroffenheit, aber starke Schwankungen an den Währungsmärkten wären es schon.

Francois Hollande ist ein politsch schwacher Präsident und Populist, dem ein Umbau des Altersvorsorgesystems in Frankreich nicht zuzutrauen ist. Die Rente mit 67 und damit eine weitere Weichenstellung ist unter Hollande nicht vorstellbar.

Irland

Irland wird neuerdings auf EU-Gipfeln gelobt, da das Land sich wieder zurück kämpft. Die Iren haben ihre Banken nach der Krise gestützt und sind dadurch in die Krise gezogen worden. Ähnlich wie Zypern haben die Iren ein besonders attraktives steuerliches Umfeld geschaffen. Besonders Dienstleistungen werden von der grünen Insel angeboten. Die Folgen der Krise sind jetzt jedoch in einer neuen Auswandererwelle zu beobachten. Irland bleibt im Euro und wird seine Krise meistern. Allerdings wird sich der Altersaufbau der Gesellschaft dauerhaft ändern.

Großbritannien

Die drittgrößte Volkswirtschaft in der EU hat einen immer noch chronisch unterfinanzierten Haushalt zu verwalten. Aber der Hauptvorteil des Vereinigten Königreichs ist die eigene Währung. Auch wenn Ende 2012 die US-Ratingagenturen den Briten mit einer Herabstufung ihrer Bonität drohten, London bleibt stabil. Dauerhaft wird sich die City London aber darauf einstellen müssen, dass die anderen EU-Staaten mehr Regulierung in der Finanzbranche wollen, was die Finanzbranche etwas margenärmer machen dürfte.

Ein Austritt der Briten aus der EU macht keinen Sinn und wird trotz aller Muskelspiele von David Cameron auch im kommenden Jahr nicht erfolgen. Aber dem britischen Premier ist zuzustimmen, dass Brüssel ein unbewegliches Gebilde ist, das zudem auch noch sehr viel, zu viel Geld verschlingt. Dafür benötigt Europa dringend die Briten, denn an Selbstbewußtsein hat es dem ehemaligen Empire noch nie gefehlt.

Deutschland

Zumindest kurz- und mittelfristig ist Deutschland der Stabilitätsanker in Europa. Die Neuverschuldung des Bundes fällt mit 25 Milliarden Euro für 2012 niedrig aus. Das dürfte sich ändern, wenn beim nächsten Haushalt die Verluste durch die Griechenland-Hilfe via Zentralbank offen ausgewiesen werden sollten. Noch verbucht der Finanzminister etwas mehr als 700 Millionen Euro als Verlust. Die Vorteile aus der Krise durch niedrigere Zinsen liegen bei jährlich über zehn Milliarden Euro.

Deutschland ist längst zum Pacemaker in Europa aufgestiegen. Nachdem das Land noch vor 8 Jahren als der kranke Mann in Europa bezeichnet worden war. Besonders die Briten hatten sich mit kritik hervorgetan. Davon ist heute längst keine Rede mehr.

Fazit und wirtschaftlicher Ausblick Europa 2013

Ökonomen sind sich jedenfalls einig, dass das drängendste Problem Griechenland noch nicht gelöst ist. Erneut haben sich die Staatschefs Zeit gekauft. Es bleibt zu hoffe, dass die Regierenden diesmal etwas damit anfangen. In der Staatsschuldenkrise wurden bisher bei fast allen Maßnahmen nur Schulden von zittrigen privaten Händen in starke staatliche Hände umgetopft. Mehr nicht.

Die Staatsschuldkrise bleibt uns erhalten und die Zahl der Gipfel nach der Finanzkrise wird wohl von jetzt 29 auf 40 steigen bis Ende 2013. Immerhin hat die EU mit dem Stabilitätsmechanismus ESM ein Instrument an der Hand, um flexibler zu reagieren. Der ESM ist schon jetzt der größte Hedge-Fonds der Welt. Die demokratischen, legitimatorischen Defizite des ESM bleiben. Man wird sehen, ob eine weitere Krisenverschärfung den Rettungsschirm um weitere Milliardensummen und Risiken aufbläht.

Die Konjunktursorgen erreichten im Herbst sogar die robuste deutsche Wirtschaft und insofern sollte niemand für 2013 für Deutschland oder gar Europa ordentliche Wachstumsraten erwarten. Die Wachstumsschwäche wird wohl weiter anhalten und daher das Lösen der Probleme kaum einfacher machen.

Börsensicht

Für Anleger stellt sich die Sache anders dar: Die günstig ausgereichten Finanzmittel der Zentralbanken nähren bisher die Hausse an den Börsen. Und das könnte sich auch 2013 fortsetzen.

Wichtiger als Luftpumpen-Kurse wären freilich höhere Direktinvestitionen in Europa. Wobei man Investoren vor Engagements in Südeuropa nur warnen kann, eben weil bislang nur wenig erreicht wurde mit der Krisenpolitik. Griechenland steht immer noch vor dem Austritt aus dem Euro und Italien flirtet zumindest in Person von Silvio Berlusconi mit einem Austritt. Letzterer wäre definitiv das Ende der Gemeinschaftswährung Euro und ist unwahrscheinlich, aber nicht mehr undenkbar. Leider.

[divider top=“1″]

Daten Schuldenstand Europa in % des BIP.

Artikelbild: Wiki Commons. Bremerhaven Container-Terminal.

 

Print Friendly, PDF & Email
Share

Share This Article

Related News

Aktiendepots einfach erklärt
Gute Rendite mit gutem Gewissen – Nachhaltige Geldanlage mit FondsDISCOUNT.de
Urteil: moneymeets darf Kunden auch weiterhin Versicherungsprovisionen erstatten

Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.