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Warum die Zypernrettung ein Politikdesaster ist

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26. März 2013

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Warum die Zypernrettung ein Politikdesaster ist

Die Diskussionen der letzten zwei Wochen um die Rettung des Staatshaushalts von Zypern sind entlarvend für Politiker. Systemrelevanz ist eine politische Kategorie.

Der Rettungsfonds ESM, der größte Hedge-Fonds der Welt, darf nur in existentiellen Krisen Papiere von Staaten kaufen. Das haben sich insbesondere deutsche Parlamentarier hart erkämpft, denn der Rettungsfonds hebelt die parlamentarische Kontrolle weitgehend aus. Auch wenn es formal noch Zustimmungen des Parlaments gibt. Als Regel für das Feststellen der Hilfebedürftigkeit hatte man die „Systemrelevanz“ erfunden. Dahinter steckt das an sich vernünftige Konzept, dass man nur diejenigen Banken oder Länder retten will, die bei einem Umfallen andere wie Dominosteine mit sich umreißen könnten.

Ist Zypern systemrelevant?

Aber was bedeutet eigentlich, Zypern sei systemrelevant? Denn genau diese Systemrelevanz hatte Jörg Assmussen von der EZB bei der ersten Lösungsrunde dem Land noch zugeschrieben. Zwei Wochen später wissen wir: Die Behauptung der Systemrelevanz ist in Wahrheit das Ergebnis eines politischen Kuhhandels und keine finanzökonomische Kategorie. Auch bei den Bankenrettungen wurden mehrfach Banken zu Lasten der Steuerzahler gerettet, die man hätte abwickeln und auffangen können. Dann hätten die Anleger in Bankaktien die Kosten schlechter Unternehmenskonzepte mitbezahlt. Die angenommene Systemrelevanz war diesmal erneut die Formel, um Zypern freihändig überhaupt helfen zu können.

Die politischen Pokerspieler aus Zypern wähnten sich mit der „Systemrelevanz“ im Rücken in einer sehr starken Verhandlungsposition, denn die anderen Staaten mussten Zypern bei Systemrelevanz in jedem Fall helfen. Zu groß wären sonst die Risiken für die anderen gewesen. So das Kalkül des zyprischen Staatspräsidenten Nikos Anastasiadis und seines Finanzministers.

Den Zusammenhang, dass Systemrelevanz nur eine politische Kategorie ist, haben die zyprischen Verhandlungsführer allerdings nicht verstanden. Am zweiten Krisenwochenende veränderte sich ganz schnell die Rhetorik der anderen EU-Politiker. Zypern verlor scheinbar seine Systemrelevanz binnen einer Woche. Taktisch verständlich: So konnte man erneut eine Drohkulisse aufbauen, um Zypern zu den gewünschte Eigenbeteiligungen zu zwingen.

Rettungsversuche

Für das Zehn-Milliarden-Euro-Hilfspaket forderten die EU-Staaten zuletzt einen Eigenbeitrag in Höhe von etwa sieben Milliarden Euro von Zypern. Im  ersten Versuch hatten die Euro-Finanzminister eine gestaffelte Zwangsabgabe auf sämtliche Sparguthaben auf der Insel beschlossen. Erkennbar ging es den Zyprern darum, einfach weiter machen zu können wie zuvor. Diese Idee scheiterte an wütenden Protesten der Bevölkerung und im zyprischen Parlament. Der geplante Griff in die Sparkonten hatte auch anderswo in Europa für Kopfschütteln gesorgt, weil der Vorschlag die europäische Einlagengarantie für Guthaben bis 100.000 Euro in Frage stellte.

Am liebsten hätte Anastasiadis das Geschäftsmodell von Zypern, indem er gar keine Anteilseigner oder Sparer herangezogen hätte. Kredite von EU-Staaten ohne Auflagen wären natürlich erneut der einfache Weg gewesen. Zypern wollte weiterhin Unternehmen mit niedrigen Steuern und geringen Kapitalkontrollen locken. So hatte es Zypern zu einem überdimensionierten Banken- und Unternehmenssektor gebracht. Genau wie Irland. Der Staatschef hat sich verzockt, denn die anderen Politiker in Europa haben in der milliardenschweren Pokerpartie deutlich bessere Nerven bewiesen.

Ende des Geschäftsmodells

Am letzten Wochenende kam es dann doch noch zu einer Lösung. Die zweitgrößte Bank des Landes wird abgewickelt und die größte Bank friert Kapital je Konto über 100.000 Euro ein und wird dann in Gut und Böse aufgespalten. Dieser Schritt ist sinnvoll, denn die Regierung in Nikosia erkennt dadurch faktisch an, dass man sich ein neues staatliches Geschäftsmodell suchen muss. Natürlich war Zyperns Wettbewerbsmodell schon vorher Geschichte, denn es war naiv zu glauben, dass internationale Geldgeber weiterhin ihr Geld in Zypern parken würden. Jetzt holen sich die Zyprer das Geld wenigstens an der vermeintlich richtigen Stelle. Ein weiterer Fortschritt: Diesmal sollen direkt nur Kunden der beiden größten Banken bluten.

Verlierer sind die Politiker und das Politische

Zunächst sind zyprische Politiker und Banker verantwortlich für die jetzige Krise. Alle anderen Schuldzuweisungen sind in erster Linie Ablenkungsmanöver oder Selbstschutzbehauptungen. Deutschland wird in Einfachlogik als Sündenbock hingestellt.

Fakt ist aber auch: EU-Politiker haben jahrelang nichts gegen ruinöse staatliche Geschäftsmodelle in Europa unternommen. Das fällt ihnen jetzt vor die Füße. Das peinliche Standardargument der Politiker in Europa war immer, man wolle die Souveränität von Staaten respektieren. Jetzt sind die sichtbaren Einschnitte umso härter.

Fakt ist auch: Bislang haben Politiker sich in keinem wichtigen Bereich auf europäische Mindestandards geeinigt. Beispielsweise hätte man den Steuerwettlauf durch Mindeststeuern begrenzen können, oder den Staatssektor auf das Nötige zusammenschrumpfen lassen können. Stattdessen interessierte sich die EU-Kommission für so wichtige Fragen wie das Abschaffen der Glühbirne oder andere überlebenswichtige Normierungen.

Zypern ist übrigens inzwischen wieder systemrelevant, denn die zehn Milliarden sollen fließen. Die noch unterschätzte Folge dürfte ein erneuter dauerhafter Glaubwürdigkeitsverlust für die Politik sein. Wer nimmt Äußerungen der Regierungschefs überhaupt noch ernst? Die EU hat sich mit ihrer letzten Krisenbehandlung nur selbst geschwächt. Die politischen Basarhändler wurden entlarvt. Gleichzeitig zeigt sich, dass politische Vernunft in Europa nur durch Druck durchsetzen ist. Europa sollte 21 Jahre nach Abschluss der Maastrichter-Verträge politisch mehr erreicht haben. Schade Europa. Diese Politiker und ihre politischen Leistungen haben wir nicht verdient.

Artikelbild: Illustrationsfoto. Explodiertes Flugzeug. Wiki Commons. Urheberrechtsfreie Abbildung.
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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.