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Über das Sommerloch und das Ende der PKV

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30. Juli 2012

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Über das Sommerloch und das Ende der PKV

Selbst im Sommerloch gibt es dieses Jahr Highlights. Olympics in London und ein Artikel von Patrick Illinger von der Süddeutschen über die Private Krankenversicherung (PKV).

Im Sommerloch gibt es immer wieder Themen, die es im Winter niemals auf die vorderen Seiten einer seriösen Tageszeitung bringen würden. Es wird halt seichter im Sommer. Zum Glück ist das bei der Süddeutschen Zeitung nicht immer so.

Ich bin ein Besserverdiener, holt mich hier raus

Gespickt mit selbstironischen Kommentaren erläutert der studierte Physiker und jetzige SZ-Redakteur Patrick Illinger weshalb er auf das Ende der Privaten Krankenversicherung hofft. Er ist nämlich drin und kommt nicht mehr raus. Hier ein kleiner, besonders gelungener Auszug aus dem Beitrag:

Für jene, die in diesem absurden System gefangen sind, ist es, als würde man seine Altersvorsorge in griechischen Staatsanleihen anlegen, die von Bernie Madoff verwaltet werden.

Selbst schuld? Nein, ich finde, jeder Mensch sollte das Recht haben, Fehler zu revidieren, wenn eine angemessene Strafe abgebüßt wurde. Von Ehepartnern kann man sich trennen, Privatinsolvenzen kann man regeln, sogar Mörder werden resozialisiert. Privatversicherte haben, nach heutiger Rechtslage, keine Chance.

Illinger bringt sämtliche Probleme des Systems auf den Punkt. Steigende Kosten ohne systemischen Abwehrmechanismus, mit dem Lebensalter steigende Beiträge, längere Lebenszeit und in Folge dessen falsche Beitragsprognosen, schlechte Anlageergebnisse der PKV – auch wegen der gesetzlichen Vorgaben – und hohe Vertriebskosten. An manchem dieser Teilprobleme arbeitet die Politik – so werden die PKV-Provisionen gedeckelt. Aber das wird kaum reichen, um das System zu erhalten.

Falsche Anreize im System

Illinger schildert in dem Beitrag seinen ganz persönlichen Kampf gegen die Kostenexplosion, indem er unnötige Röntgenaufnahmen ablehnt beispielsweise. Aber in dem System gibt es für den Einzelnen keine Anreize, sich besonders sparsam zu verhalten. Im Gegenteil. Die Werbung der Privatkassen bedient eher die falschen Instinkte: Bessere Behandlung und Wohlfühlversorgung heute zum Preis von morgen. Risiko der Altersarmut durch Mitgliedschaft in der PKV wird ein weit verbreitetes Phänomen werden.

Im PKV-System ist Solidarität Fehlanzeige und die Beiträge steigen mit dem Alter. Dafür gibt es Altersrückstellungen. Aber was passiert bei einem Bruch im Lebenslauf? Dann stehen viele Mitglieder vor einem Scherbenhaufen ihres eigenen Egoismus in früheren Jahren.

Politiker über die PKV

Sogar der streitbare SPD-Frontmann Karl Lauterbach kritisiert ständig, dass PKV-Patienten beim Arzt bessere, frühere Leistungen erhalten. Für den Uninformierten werden so ungewollt Anreize geschaffen, die einen Wechsel in die PKV nahe legen. Schweigen wäre vielleicht sogar besser und würde das Ende der PKV beschleunigen. Aber kann man das dem SPD-Mann zumuten, der bislang jede Kamera sucht?

Fast 9 Millionen Deutsche sind in der PKV und die Zahl der Wechselwilligen steigt. Die Tendenz ist eindeutig, wenn auch die PKV sich gegen die Kommentare aus der Politik wehrt und mit eigenen Zahlen kontert. Richtig ist: Die PKV benötigt Wachstum durch jüngere Versicherte, um die eigene Zukunftsfähigkeit zu bewahren und da machen sich kritische Töne nicht gut.

Die Katastrophe war absehbar

Dazu noch ein persönlicher Hinweis: Bereits im Jahr 1992 besuchte ich eine ehemalige Assistentin meines Studienfachs Sozialpolitik, die ins Gesundheitsministerium gewechselt war. Ich fragte damals ob sie in die neu konzipierte private Krankenversicherung – es ging um eine weitere Öffnung des Systems für Besserverdienende – wechsle. Sie sagte nein, denn das System müsse zusammenbrechen. Das war zwar damals nicht die offizielle Sprachregelung ihres Hauses oder gar die Meinung der Fachpolitiker von damals, aber eine nachvollziehbare Position.

Inzwischen hat sich die Einschätzung radikal geändert und hinter vorgehaltener Hand sprechen Politiker von einer Restlaufzeit des Systems. Manche wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn sprechen sogar ganz offen über Probleme. Das gefällt den PKV-Vertretern gar nicht wie eine Pressemeldung zeigt. Spahn macht jedoch einfach weiter.

Auch wenn das vielleicht etwas übertrieben ist, Patrick Illinger kann nur auf Arbeitslosigkeit oder einen Systemzusammenbruch hoffen. Na dann viel Glück.

Wikipedia-Artikel zu den Fakten.

Artikelbild: Wiki Commons. Letzter Flug der Concorde am 26. November 2003. Gemeinfreies Werk.

 

 

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.