Spanien muss wohl unter den Rettungsschirm
Die spanische Regierung wehrte sich lange, vielleicht zu lange. Jetzt deuten verschiedene Zeichen darauf hin, dass Spanien bald unter den Rettungsschirm muss.
In Spanien hatten zuletzt die Proteste immer mehr zugenommen. Das Land ist längst ein Pulverfaß und Europa müsste eigentlich längst agieren. So sind Investitionsprogramme dringend erforderlich, um zumindest auf kurze und mittlere Sicht die Geißel der Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und den Menschen wieder Hoffnung zu geben.
Zudem gibt es in Spanien wie auch in Italien, separatistische Bewegungen: Manche Regionen wollen nicht mehr über den Zentralstaat Geld abgeben. Die Solidarität nimmt ab. Auch das ist eine gefährliche Entwicklung für Europa. Die Krise ist auch eine Langzeitfolge schlechten Regierungshandelns, das einseitig auf die Baubranche gesetzt hatte. Ferner wurde eine hohe Arbeitslosigkeit unter Jüngeren zugelassen und nie wirklich bekämpft. Jedenfalls war die landeseigene Immobilienpreisblase geplatzt, in deren Folge viele Menschen im Land inzwischen überschuldet sind und die Banken auf wertlosen Sicherheiten sitezn. Neben den privaten Schulden hatten sich die Staatsschulden seit 2007 auf zuletzt knapp 70 Prozent verdoppelt. So entstand eine negative Spirale der Probleme. 4,7 Millionen Spanier waren im September arbeitslos gemeldet. Damit ist jeder vierte Spanier ohne Beschäftigung. Bei Berufseinsteigern liegt die Quote sogar bei 52,9 Prozent. Der Protest in Spanien ist inzwischen über ein Jahr in Gange und deren Anhänger nennen sich „los indignados“, was so viel heißt wie „Die Empörten“.
Hoffnung für die explodierenden Staatsfinanzen und die Arbeitslosen ist angesichts eines schwächeren Wachstums derzeit ohnehin kaum zu vermitteln. Im ersten Quartal 2012 lag das Bruttoinlandsprodukt 0,6 Prozent unter dem Vorjahreswert. Im zweiten Quartal verzeichnete die Wirtschaft ein Minus von 1,3 Prozent. Tendenz fallend.
Die Regierungsstrategie
Die Regierung von Mariano Rajoy ist erst neun Monate im Amt, aber unbeliebt wie kaum eine Vorgängerregierung. Die Regierung spart und erhöhte zuletzt die Umsatzsteuer um drei Punkte. Eine Folge des Spardiktats aus Brüssel. Das verstärkte die Krise noch. Zuletzt brach die Zahl der PKW-Neuzulassungen im Land um mehr als ein Drittel ein. Auf ohnehin niedrigem Niveau. Inzwischen kündigten Gewerkschaftsführer an, gegen die Sparpolitik der Regierung im November einen Generalstreik organisieren zu wollen. Das wir allerdings auch kaum helfen.
Ministerpräsident Rajoy versucht mit seiner Politik verzweifelt die Eigenständigkeit des Landes zu sichern. Diese ist gefährdet, sobald Spanien einen Hilfsantrag bei der EU stellt und unter den Rettungsschirm schlüpft. Bislang war das nicht notwendig gewesen, da die Bankenrettung von 100 Milliarden Euro nicht als Rettung im klassischen Sinne gilt. Ein anderer, neuerer Aspekt ist, dass die Europäische Zentralbank angekündigt hatte, nur dann Anleihen von Staaten kaufen zu wollen, wenn sich ein Land unter den EU-Rettungsschirm begibt und so Reformen garantiert. Spanische Staatsanleihen rentieren zurzeit mit 5,76 Prozent. Auf Dauer sind diese Zinskosten ein zunehmendes Problem, da der Haushalt zusätzlich belastet wird.
Dienstagmorgen kamen Gerüchte auf, Spanien könnte unter den EU-Schirm schlüpfen. Am späten Nachmittag wurde das allerdings von einer Regierungssprecherin dementiert. Derzeit tagen die Regionalfürsten mit dem Regierungschef in Madrid.
Grätsche von der Seitenlinie
Ungemach könnte auch von einem bereits als gelöst geglaubten Problem kommen. Vor wenigen Tagen war an den Finanzmärkten das Ergebnis eines spanischen Banken-Stresstests positiv aufgenommen worden. Dieser Effekt könnte bald verpuffen.
Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg meldete, schätzt die US-Ratingagentur Moody’s, dass der Kapitalbedarf für Spaniens Geldhäuser auf bis zu 105 Milliarden Euro steigen könnte. Bislang war man von einem Bedarf in Höhe von knapp 60 Milliarden Euro ausgegangen.
Reuters meldet derweil, dass die Ratingagentur Moody’s noch im Oktober über eine mögliche weitere Herabstufung der Kreditwürdigkeit Spaniens entscheiden will. „Moody’s Überprüfung von Spaniens Rating berücksichtigt eine Reihe von Faktoren, darunter den Kapitalbedarf der spanischen Banken“, sagte eine Sprecherin der Ratingagentur. Außerdem soll der Haushaltsplan für 2013 und das Krisenmanagement im Euroraum in die Bewertung einfliessen. Moody’s hatte Spanien zuletzt im Juni von A3 auf Baa3 herabgestuft.