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Roland-Berger-Studie zur Mittelstandsfinanzierung

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17. August 2012

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Roland-Berger-Studie zur Mittelstandsfinanzierung

Europäische Banken benötigen passende Finanzierungsangebote für den Mittelstand, um neues Geschäft zu ermöglichen und weiter zu wachsen. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie mit dem Titel „Fueling engines of growth“ von Roland Berger Strategy Consultants.

Die Ergebnisse der Studie in Kurzform:

  • Neue Roland Berger-Studie zeigt: Der Mittelstand (KMU) bildet weiterhin das Rückgrat der europäischen Wirtschaft: 2010 waren in der EU rund 21 Millionen KMUs aktiv
  • Allerdings bremst die restriktive Kreditvergabe der Banken in Folge der Basel III-Richtlinien das Wachstum mittelständischer Firmen sowie der Finanzinstitute selbst
  • Banken müssen ihre Geschäftsmodelle an die Anforderungen der KMUs anpassen und ihre Produktportfolien erweitern
  • Vier Hebel bieten großes Potenzial: individuelle Cash-Produkte; Finanzierungslösungen, die wenig Eigenkapital binden; Kooperationen mit anderen Investoren; Verbriefung von KMU-Krediten


Die Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen

Der Mittelstand ist das Rückgrat der europäischen Wirtschaft. 2010 gab es in der Europäischen Union (EU) rund 21 Millionen KMUs; zwischen 2002 und 2010 entstanden 85 Prozent aller neuen Arbeitsplätze in der EU in mittelständischen Firmen. Die strengeren Kreditvergaberichtlinien infolge von Basel III treffen besonders kleine und mittelständische Unternehmen. Roland Berger meint, dass es sich um ein Phänom handelt, das das Wachstum der europäischen KMUs sowie der Kreditinstitute gefährdet. Banken sollten daher die Wachstumschancen in der Mittelstandsfinanzierung nutzen und ihr Produktportfolio an die Bedürfnisse der KMUs anpassen.

„Die neuen Basel III-Richtlinien zur Kreditvergabe wirken sich negativ auf die Unternehmensfinanzierung aus. Doch genau dieser Bereich stellt einen wichtigen Bestandteil des Geschäftsmodells der Banken dar“, sagt Cécile André, Partner von Roland Berger Strategy Consultants. „Kreditinstitute sollten dieses große Geschäftspotenzial wahrnehmen und passende Strategien dazu entwickeln.“

Basel III hemmt Mittelstandsfinanzierung

Die strengeren Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften, wie etwa durch Basel III, beschränken die Möglichkeit der Banken, Kredite zu vergeben – vor allem im mittelständischen Bereich. Diese Meinung teilt knapp ein Viertel der europäischen KMUs laut einer Studie der Europäischen Zentralbank vom März 2012. Für 17 Prozent der Befragten stellt die fehlende Finanzierung die größte Hürde dar.

Die verschärften Regelungen und Turbulenzen am Finanzmarkt bewirkten bei Banken eine Konzentration auf große Unternehmen, die höhere Erträge versprach. Dabei wurde aber das große Wachstumspotenzial und die Profitabilität vieler KMUs unterschätzt. „Banken sollten sich hier als Partner der KMUs positionieren und mittelständische Firmen mit passenden Finanzdienstleistungen begleiten, um weiteres Wachstum zu ermöglichen“, erklärt Roland Berger-Partner Christophe Angoulvant. „Durch solche Finanzierungslösungen für den Mittelstand können Kreditinstitute wichtige Einnahmequellen für sich erschließen.“

Cash-Produkte und neue Finanzierungslösungen nötig

Wie Großkonzerne benötigen KMUs individuelle Produkte und Lösungen, um ihre Liquidität im In- und Ausland zu steuern und Investitionen zu tätigen. Um geeignete Produkte für den Mittelstand zu entwickeln, sollten Kreditinstitute ihre Kunden aber nicht nach Umsatzgröße, sondern eher nach Finanzierungsbedarf, Organisationsstruktur und Komplexität des Geschäfts segmentieren, empfiehlt Cécile André: „Ein Einzelhändler hat andere Finanzierungsanforderungen als ein Anlagenbauer. Nur wer die kurz- und langfristigen Liquiditätsbedürfnisse seiner Kunden kennt, kann einen optimalen Finanzierungsmix mit sinnvoller Fälligkeitsstruktur anbieten.“

Dabei sollten aber Kreditinstitute auch auf die Profitabilität und den Liquiditätsbedarf ihres Produktportfolios achten. Denn die neuen regulatorischen Vorschriften wirken sich unterschiedlich auf die einzelnen Finanzprodukte aus. So sind die Eigenkapitalanforderungen an nicht-besicherte Finanzierungen wie Kredite wesentlich höher als etwa bei Leasingfinanzierungen. „Banken sollten einen optimalen Produktmix entwickeln, um Eigenkapital effizient zu nutzen und Liquiditätsabfluss zu vermeiden“, sagt Angoulvant. „Viele Finanzprodukte werden unter Basel III zu teuer und erfordern zu viel Liquidität; Kreditinstitute müssen daher alternative Produkte wie Factoring oder Leasing anbieten.“ Auch weitere Produkte wie Beratungsdienstleistungen, Versicherungen oder Private Banking-Angebote für den Mittelstand könnten in den kommenden Jahren interessante Geschäftsperspektiven für Banken eröffnen.

Flexibilität ist gefragt

Kooperationen mit weiteren Investoren sind im Bankenbereich ein eher seltenes Phänomen, aber gerade in der Mittelstandsfinanzierung eine sinnvolle Alternative. Denn durch die Zusammenarbeit mit Private Equity-Fonds, Business Angels oder öffentlichen Institutionen sind Banken in der Lage flexiblere Finanzierungslösungen für den Mittelstand anzubieten. So unterstützen Institute wie Oséo in Frankreich, die KfW in Deutschland oder die Europäische Investitionsbank (EIB) KMUs auf lokaler und internationaler Ebene mit Krediten und Bankgarantien. 2010 profitierten bereits 130.000 KMUs von Garantien der EIB für ein Gesamtvolumen von fast zwei Milliarden Euro.

Bankenkönnen  durch das Verbriefen von Mittelstandskrediten und anschließenden Verkauf an institutionelle Investoren ihre Finanzierung verbessern. „In dieser Hinsicht besteht noch großer Nachholbedarf. Denn diese Anlagemöglichkeit haben Investoren bislang nur wenig beachtet“, sagt Cécile André. So betrug der europäische Markt für Verbriefungen von KMU-Krediten 2010 gerade mal 37 Milliarden Euro – das entspricht 10 Prozent des Gesamtmarktes für Kreditverbriefungen.

Roland Berger Strategy Consultants wurde 1967 gegründet und ist eine der weltweit führenden Strategieberatungen. Mit insgesamt 2500 Mitarbeitern  und Büros in 36 Ländern ist Roland Berger Strategy global aktiv.

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Artikelbild: Beratungssituation. Foto Interhyp.

 

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.