Olympia 2012 – Öffentlich-rechtliche Verdachtsberichterstattung beim Schwimmen
Im Finale brustschwimmender Frauen gewann die 15-jährige Ruta Meilutyte (Litauen) die Goldmedallie vor Rebecca Soni aus den Vereinigten Staaten und der Japanerin Satomi Suzuki. Der deutsche Reporter am Beckenrand wollte das nicht wahrhaben und versuchte sich im kritischen Journalismus.
Das Litauerin war völlig überwältigt von der Situation. Sie hatte gerade die Goldmedallie gewonnen und und damit litauische Sportgeschichte geschrieben. Noch nie hatten ein Litauer oder eine Littauerin Gold beim Schwimmen erreicht. Dieser Moment war sicherlich der Höhepunkt des bisherigen Lebens von Ruta Meilutyte. Dann machte sie den Fehler Alexander Antoniadis vom deutschen Fernsehsender ZDF ein Kurzinterview zu gewähren. Artig gratulierte der Reporter zwar zunächst, um mit seiner letzten Frage seine Zweifel an der Leistung der Litauerin zu äußern. Meilutyte hatte sich in diesem Jahr um zwei Sekunden im Saisonverlauf gesteigert und im Vorlauf einen neuen Europarekord aufgestellt. Das konnte und wollte der ZDF-Mann nicht verstehen.
Meilutyte verwies auf ihre Trainingspensum wandte sich dann genervt ab. Völlig zu recht. Trotz ihrer 15 Jahre bemerkte sie den Unterton des Journalisten, der ihren Erfolg anzweifelte.
Wunderkind aus Litauen
Später bei der Siegerehrung schlotterten Meilutyte die Knie. Und es schien fast so, dass die eigentlich schwierige Disziplin für sie erst folgte. Sie sprach später von einem Schock,der sie ereilt hatte.
Eine Unbekannte ist Meilutyte jedoch nicht, wie die „Schwimmexperten“ im ZDF behaupteten. Die Litauerin gilt seit 2011 als Wunderkind der Schwimmszene und ist nicht wie behauptet aus dem Nichts in die Weltspitze vorgedrungen, sondern hatte schon im Mai und Juni neue nationale Rekorde auf anderen Strecken aufgestellt. Sie trainiert in Großbritannien auf dem Plymouth College, einer Kaderschmiede für Schwimmer. Ihr Vater ist dort als Trainer tätig.
Sportjournalismus im ZDF
Die Bemerkung des ZDF-Manns war völlig unnötig. Es ist nicht die Aufgabe von Journalisten den schönsten Tag im Leben eines Sportlers oder einer Sportlerin zu zerstören. Kritische Fragen stellt die WADA, das ist die Welt-Doping-Agentur.
Augerechnet das ZDF und sein Team macht einen auf besonders kritisch. Dort ist Kristin Otto beschäftigt, über deren Doping-Vergangenheit im Schwimmsport noch immer Fragezeichen vorhanden sind. Über Otto formulierte der ehemalige ZDF-Chefredakteur Klaus Brender einfühlsam: „Frau Otto hat im Jahre 2000 ein, in einem Brief an den Intendanten, eine ganz klare Erklärung abgegeben. Dass sie nie wissentlich oder willentlich verbotene Mittel eingenommen hat, nie wissentlich oder willentlich gedopt hat. Und solange keine Beweise auf dem Tisch liegen – und der sie hat, der soll sie bringen – solange stehen wir zu ihr.“
Zu Kristin Otto ist zu sagen, dass keiner ihrer Erfolge jemals aberkannt wurden. Otto ist mehrfache Olympiasiegerin und dabei sollte man es belassen. Möglicherweise gab es Staatsdoping in der DDR und die Sportlerin wurde insofern missbraucht. Aber das weiß man nicht so genau.
So viel Mitgefühl und Verständnis gab es für die Litauerin jedenfalls nicht. Die 15-jährige wurde auf Verdacht mit einem Vorwurf konfrontiert, den sich kein Sportler wünscht. Vermutlich gibt es auch bald keine weiteren Interviews von ausländischen Sportlern für das ZDF. Selbst schuld.
Über Dummheit
Auch wäre es schön blöd, wenn ein Sportler ausgerechnet bei Olympia dopen würde. Zumal der Vater von Meilutyte vermutlich seinen Job damit riskieren würde. So viel Blödheit kennen wir bisher nur von Fußballtrainer Christoph Daum, der das heute genauso sieht, als er im Jahr 2000 eine Haarprobe abgab, die positiv auf Kokain-Rückstände getestet wurde. Daum damals: „Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe.“
Doping findet man heutzutage eher bei Sportlern, die den Zenit ihres Erfolges bereits überschritten haben. Eine 15- oder 16-jährige Sportlerin sollte man zunächst mit Respekt und ohne Zweifel behandeln.
Die 16-jährige Ye
Natürlich ist beim Schwimmen Doping immer ein Thema. Es ist auch die Aufgabe von Journalisten diesen Themenkomplex zu behandeln. Aber zur richtigen Zeit.
Die chinesische Olympiasiegerin Ye Shiwen und ihr Weltrekord über 400m Lagen sorgten für Aufsehen. John Leonard, Vorsitzender der Schwimmtrainer-Weltvereinigung, verglich die 16-Jährige dann tatsächlich mit DDR-Schwimmerinnen und nannte ihren Schlussspurt „unmöglich“. Der US-Amerikaner formulierte: „Ye sah aus wie Superwoman. Und immer, wenn jemand aussah wie Superwoman, stellte sich später heraus, dass Doping im Spiel war“. Ye war die letzten 50 Meter schneller geschwommen als Ryan Lochte bei den Männern.
Gerne wird jedoch unterschlagen, dass die Chinesin über die gesamte Strecke betrachtet beträchtliche 23 Sekunden langsamer war als der Amerikaner. Auch hatte sie sich zwischen 200 und 300 Metern geschont und insofern ist ihre Leistungsexplosion zwar ungewöhnlich, aber nicht mehr. Der bekannte Dopingjäger Werner Franke hält das Finish für „überprüfungswürdig, aber physiologisch nicht unmöglich“. Der ehemalige Schwimmer Mark Warnecke meinte: „Ihre Leistung ist Wahnsinn. Es ist jedoch unfair, ohne Beweise zu sagen: Das ist unmöglich, sie hat gedopt.“
Ein Jahr zuvor war Shiwen bei den Weltmeisterschaften etwa sieben Sekunden langsamer über die gleiche Strecke geschwommen.
Zum Vergleich dazu Lochte am selben Tag, der viel konstanter schwamm als Ye.
Reporter am Beckenrand sollten sich auf die Berichterstattung der Fakten konzentrieren, statt mal einfach ins Blaue hinein Fragen aufzuwerfen.
Übrigens: Dopingproben der Sportler werden aufbewahrt und können später noch mit besserer Technik untersucht werden. Insofern wäre Doping bei den Olympics ziemlich dumm.