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Noch mehr Zoff in Europa

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21. Juni 2012

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Noch mehr Zoff in Europa

Man kann die Baustellen in Europa fast nicht mehr zählen: Spaniens Banken benötigen mehr als 60 Milliarden. Die Italiener wollen die EZB umfunktionieren und die Regierung in Griechenland will eine Sparpause. Alle sprechen durcheinander und ein gemeinsames Ziel ist nicht mehr erkennbar.

Sämtliche Ansinnen der europäischen Partner sind verständlich, aber von Einigkeit ist keine Spur zu sehen. Zudem droht Deutschland mit der Ratifizierung des Fiskalpaktes nachsitzen zu müssen. Europa ist komplett zerstritten und die Regierungen suchen nach egoistischen Lösungen. Die kleine nationale Münze ist den Staatschefs wichtiger als das große Ganze. Besonders ärgerlich ist, dass diese Entwicklungen vorhersehbar waren. Nur wenn sämtliche Spielteilnehmer mit den eigenen Entscheidungen so lange warten, bis die Wand kaum noch umfahrbar ist, dann müssen Vollbremsungen her.

Die Streitpunkte

Die Bundesbank stemmt sich Medienberichten zufolge gegen die Vorschläge von Italiens Premier Mario Monti, der die Europäische Zentralbank auf dem Anleihenmarkt aktiv werden lassen willl. Auf dem Sekundärmarkt soll die EZB Aufkäufe von Staatsanleihen für die Fonds EFSF und ESM vornehmen. Dadurch sollen die Zinsen gesenkt werden, wodurch die Krisenstaaten Italien und Spanien entlastet würden.Die EU-Verträge verbieten, dass sich Staaten über die Notenbank finanzieren. Der direkte Kauf über EFSF und ESM hingegen ist möglich.

Spanien benötigt wohl 62 Milliarden, um den Bankensektor zu stützen. Am Morgen hatte Finanzminister Schäuble noch gesagt, dass die Spanier einen Antrag stellen müssen und dann das Verfahren eingeleitet wird. Genau wie Italien ziert sich die Regierung Spaniens noch, da man durch die Hilfen staatliche Souveränität einbüssen würde. Geld gegen Reformen. So lautet der Deal.

Griechenland hatte nach der Wahl auf Entgegenkommen der europäischen Partner gehofft. Davon war jedoch in Luxemburg keine Rede. So erteilte der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager den Griechen eine Absage: »Es wird keine Abschwächung der Bedingungen geben«. Die Partnerstaaten der Eurogruppe mahnen Vertragstreue an. Auch die finnische Finanzministerin Jutta Urpilainen erwartet von Griechenland das einhalten von unterschriebenen Verträgen.

Dünnhäutige Politiker

Erst vor wenigen Tagen hatten sich europäische Politiker in Mexico verbeten, dass Journalisten und Politiker das Lösen der Eurokrise einforderten. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wird mit folgenden Sätzen zitiert: »Wir lassen uns hier von niemandem belehren« und »Wir sind nicht hierhergekommen, um Nachhilfestunden in Demokratie oder Wirtschaftsführung zu erhalten«. Auf dem G20-Gipfel hatten sich die Vereinigten Staaten von Amerika, China, Indien und Südkorea beunruhigt gezeigt. Hinzu kamen die legendären mexikanischen Journalisten, die schon 1986 den Kaiser Franz Beckenbauer zur Weißglut gebracht hatten.

Solche Beispiele zeigen, wie es wirklich um Europa steht in diesen Tagen. Wenn die Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft eine deutlich bessere Figur in Interviews abgeben als gestandene Politiker, die täglich dutzende Mikrofone suchen, dann läuft etwas gewaltig schief in Europa. Und das liegt nicht an Jogis Jungs. Die sorgen nämlich bislang nur für positive Schlagzeilen.

Fazit: Die Regierungschefs misstrauen sich nach zwei Jahren ständiger Gipfel in Europa mehr als je zuvor. Die Gemeinschaftswährung Euro könnte am Krisenmanagement der Regierungschefs scheitern, die immer noch eine Pokerpartie mit lauter Luschen auf der Hand spielen. Mit den Finanzmärkten und deren Teilnehmern hat das nichts zu tun. Das ist eine der Legenden, die Politiker gerne erzählen.

Artikelbild: Übersetzerin im Europa-Parlament. Pressefoto.

 

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.