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Lustloser Talk bei Jauch

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27. August 2012

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Lustloser Talk bei Jauch

Führt die meist als alternativlos dargestellte Politik der Kanzlerin zu einem Abbau von Demokratie im Land? Darüber kann man ernsthaft diskutieren. Aber man benötigt ein Gesprächskonzept und meinungsstarke Gäste dafür. Ohne kommt ein lauer Talk heraus.

Das Thema bei Günther Jauch war diesmal „Machtfrau Merkel – wie tickt die Kanzlerin?“ Aber eigentlich ging es vor allem um die „Patin“. Dieses Bild stammt von Gertrud Höhler, die gerade ihr neues Buch promotet und bislang mit ihren Thesen zur Kanzlerin in den Medien fast überall angeeckt ist. Das gewählte Thema war eigentlich ein nettes Thema, wenn man Spass an Diskussionen hat. Diesen hatten die vier eingeladenen Gäste und der Moderator jedenfalls nicht. Insofern kam es zu einem müden Talk.

Ein interessantes Thema zerredet

Die Sendung begann mit dem Versuch des Moderators Günther Jauch, die steilsten Thesen von Höhler in bekannter flapsiger Manier zusammenzufassen. Die Autorin fühlte sich gleich mehrfach falsch verstanden und die Diskussionen um manche Feinheiten der Formulierung waren für die Zuschauer eher ermüdend und wenig hilfreich.

Beispielsweise hat Höhler die Kanzlerin im Buch als „Fremde aus Andersland“ bezeichnet. Das ist eigentlich nicht mehr als ein nettes Bild, das die Literaturwissenschaftlerin verwendet, um ihre Thesen zu verbreiten. Die Formulierung erregte zumindest Lothar de Mazière, der Ost-West-Vorbehalte vermutete. Ursula von der Leyen erregte sich über die Bewertung Höhlers, die den Nachfolger von Norbert Röttgen wohl irgendwo im Buch als „Amateur“ bezeichnet hat.

Ohnehin kam es zu manchen akademischen Diskussionen, die nur Eingeweihte verstehen. So wurde beispielsweise abstrakt über Gesetzesbrüche diskutiert. Was genau gemeint war, blieb der Phantasie des Zuschauers überlassen. Dabei wäre hier mehr Präzision erforderlich gewesen. Oft haben wir es bei der aktuellen Bundesregierung wohl eher mit einem Austesten der Verfassung zu tun als mit Gesetzesbrüchen.

Wenn die Meinung von Toten zitiert wird

Die Diskussionen um Semantik jedenfalls lenkten regelmäßig vom Thema ab, ohne dass Jauch eingriff. So ging es eigentlich die ganze Sendung weiter. Die einen beklagen die fehlende Diskussionskultur in der CDU und der Kulturbeauftragte der Sendung, Wolfgang Herle,s meinte sogar zu wissen, dass sich Ludwig Erhard im Grab umdrehen würde, wenn der von Angela Merkels Interpretationen in Wirtschaftsfragen wüsste. Denn schließlich sei die Kanzlerin blank, wenn es um Liberalität geht.

In einem Einspieler erfuhr der Zuschauer noch, dass der CDU ein Adenauer-Enkel abhanden gekommen ist. Das klingt nach Verlust der Zustimmung von ganz oben. Immerhin erfuhr der Zuschauer in einer Anekdote, dass de Mazière Angela Merkels Karriere bei Kohl eingeleitet haben will.

Höhler und die Hobbypsychologie

Der „Patin“ Angela Merkel wird von der Literaturwissenschaftlerin Höhler allerlei vorgeworfen: So sei sie unberechenbar und hat wohl einige Positionen und Personen zu viel abgeräumt in ihrer Amtszeit – zumindest ist Höhler wohl dieser Auffassung. Eine Liste mit Themen, die Jauchs Redaktion in einwöchiger Arbeit herausgearbeitet hatte, eignete sich dann überhaupt nicht als Beleg für die Alleingänge der Kanzlerin. So wurden die Energiewende, das Schulsystem, Mindestlöhne und die Wehrpflicht als Beispiele für Prinzipienlosigkeit stark überstrapaziert.

Der spannende Teil des Umgangs mit der Euro-Krise und der Einbindung des Parlaments dabei blieb nur kaum diskutiert und das lag auch an Höhler, die zu häufig nicht den Punkt ihrer Thesen traf, sondern sich in psycholgischen Deutung der Herkunft von Angela Merkel verlor.

Die Hobbypsychologin Höhler sieht vor allem Merkel in der Verantwortung, für weniger Diskussionskultur in der CDU. Als wäre das bei Helmut Kohl anders gewesen. Über die Einbindung des Parlaments erfuhr man wenig, was auch eine Folge des Zeitverlustes durch nutzlose Fragerunden zuvor war.

Was hätte diskutiert werden sollen

Wenn man von den umstritten Formulierungen im Buch einmal absieht, dann ist die Grundthese von Höhler vermutlich gar nicht mal abwegig. Demokratische Prinzipien bleiben bei Merkel erkennbar gelegentlich auf der Strecke.

In der Eurokrise kam es bekanntlich mehrfach zu Versuchen der Bundesregierung, künstlichen Zeitdruck aufzubauen. Zuletzt hatte sich gezeigt, dass die Welt durch eine ausführliche Entscheidung des Bundesverfassungsgericht nicht aus den Angeln gehoben wird. Der erzeugte Zeitdruck ist demnach ein politisches Instrument der Kanzlerin, das sie einsetzt, um die nötige Mehrheit zu organisieren und aus ihrer Sicht unnötige Diskussionen zu unterbinden.

Zuletzt hatte das Kanzleramt bei der ESM-Gesetzgebung sogar den Bundespräsidenten unter Zeitdruck setzen wollen. Das Bundesverfassungsgericht war Joachim Gauck beigesprungen und hatte den Bundespräsidenten aus der Patsche gehauen.

Einen Mangel an Parlamentsbeteiligung hatte sogar der Parlamentspräsident Norbert Lammert mehrfach beklagt. Ein anderer Kritiker, Wolfgang Bosbach, durfte sich von Kanzleramtschef Ronald Pofalla gar nicht nette Worte gefallen lassen, da er nicht auf Linie gebracht werden konnte. Aber solche Dinge sind in der Politik vermutlich nichts Neues. Auch die Pro-Berlin-Entscheidung nach der Wiedervereinigung soll von Wolgang Schäuble mit harten Bandagen durchgesetzt worden sein.

Die Häufigkeit mit der die Bundesregierung sich erst von Karlsruhe Tipps geben lässt ist ein anderes Thema und ein Zeichen schwacher Regierungspolitik. Wir erinnern uns an die Diskussion, wie viel Geld Kinder zum Leben benötigen und wie das zu ermitteln ist. Die Bundesregierung hatte hier vom Vorgänger ein schlampiges Konzept übernommen und bis zur Entscheidung in Karlsruhe vertagt, anstatt proaktiv zu agieren.

Man hätte auch über Angela Merkels Demokratieverständnis diskutieren sollen, die mal „durchregieren“ wollte. Das sind diese Momente, die durchaus für die These sprechen, dass Angela Merkel vor allem auf die Macht schielt und weniger auf die Sache. Höhler wirft der Kanzlerin eine Art Beliebigkeit vor.

Siegerin Merkel

Angela Merkel war zwar nicht anwesend, aber die eindeutige Gewinnerin des Abends. Denn das Thema wurde nicht ausreichend diskutiert, was an Höhlers zu dünn veragumentierten Buch am Moderator oder an beiden liegen könnte. Jedenfalls war die Sendung eine vertane Chance und Zeitverschwendung für Zuschauer.

Nach dem Talk an diesem Sonntag sollte sich das Thema Kritik an Merkel und ihrem Regierungsstil – zumindest in der Version Höhler – bereits erledigt haben. Auch wenn die Buchvermarkter Maischberger, Illner, Lanz oder Beckmann das Thema in der kommenden Woche möglicherweise wieder kurz hochkochen. Angela Merkel wird es freuen, dass deutsche Talkshows als Unterhaltung gedacht sind.

Artikelbild: Homepage zur Sendung.
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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.