Italien hofft auf Napolitano
Italien ist ökonomisch und politisch in der Krise. Die letzte Hoffnung bietet ein großer alter Mann. Giorgio Napolitano. Ein Menschenfreund und Ex-Kommunist.
Staatspräsident Giorgio Napolitano ist in Italien inzwischen der einzige Politiker, dessen Wort noch zählt. Der 87-jährige Napolitano steht jedoch kurz vor dem Ende seiner Amtszeit im Mai 2013. Danach könnte Italien ins Chaos versinken, wenn der große alte Mann der italienischen Politik bis dahin keine Lösung für die aktuelle Regierungs- und Staatskrise gefunden hat.
Berlusconis Realitätsverweigerung
Berlusconi riet einer jungen Frau auf Arbeitssuche im vorletzten Wahlkampf, sie solle einen reichen Mann heiraten. Das war arrogant und dummdreist. Die Italiener wählten den ehemaligen Schnulzensänger 2008 trotzdem zum Ministerpräsidenten.
Noch wenige Tage vor seinem Rücktritt 2011 hatten Lakaien von Berlusconi in Italien erzählt, dass das Mittelmeerland wirtschaftlich besser als Deutschland aufgestellt sei. Richtig ist das nicht: Italien hat einen vollkommen unflexiblen Arbeitsmarkt, regide Arbeitsschutzgesetze und inkompetente Gewerkschaften, die Anpassungsprozesse der Wirtschaft erschweren: Wer in Italien einen Arbeitsplatz hat, der kann fast nicht gekündigt werden. Soweit so gut. Aber Unternehmen überlegen sich dreimal, ob sie neue Mitarbeiter einstellen können. Entsprechend ist die Arbeitslosigkeit von Jüngeren besonders erschreckend, denn zuletzt wurden immer weniger neue Stellen geschaffen.
Napolitano zog jedenfalls die Konsequenzen aus der offenkundigen und anhaltenden Realitätsverweigerung der Regierenden und zwang Berlusconi zur Aufgabe seines Amtes. Seit dem Ende von Berlusconis letzter Regierung veröffentlichen sämtliche Medien täglich den so genannten Spread. Das ist die Zinsdifferenz, die Italiens Staat mehr aufbringen muss als Deutschland. Das ist ökonomisch begründet durch das höhere italienische Staatsdefizit, kommt aber gerade höchst ungelegen. Monti kam und sorgte zumindest für etwas Ruhe, ihm gelang der Turnaround aber nicht, da Reformen an den politischen Mehrheitsverhältnissen scheiterten.
Neuwahlen sind keine Lösung
Ende 2012 löste Napolitano auf Wunsch von Mario Monti das italienische Parlament auf und schuf damit die Möglichkeit zu Neuwahlen 2013. Mario Monti hatte seine ihn tragende Mehrheit verloren und konnte nicht mehr weiterregieren. Napolitano nutzte den Moment für eine flammende Rede, um die politische Klasse in Italien zu kritisiseren. Die Politiker schafften es jedoch nicht, den gedanklichen Transfer zu sich selbst zu schaffen. Italien leistet sich ein überdimensioniertes parlamentarisches System. Italien ist das vermutlich liebenswerteste Land der Welt, aber auch in Sachen Korruption und Vorteilsnahme ist der Stiefelstaat nicht erst seit Berlusconi absolute Weltklasse und spielt mit Griechenland in einer fragwürdigen Liga.
Vorbild Napolitano
Napolitano war zunächst Kommunist und bekämpfte die Faschisten in seinem Land. Später dann orientierte sich Napolitano etwas um und forcierte die Umwandlung seiner Partei in die demokratische Linke. Als Minister erwarb sich Napolitano Ansehen und ist Senator auf Lebenszeitz. Er verzichtete in der Krise auf sein Gehalt als Staatspräsident und ist damit ein Vorbild für die verkommene italienische Klasse. Giorgio Napolitano ist die letzte Hoffnung für Italien.
Am Osterwochenende streuten italienische Medien Gerüchte, dass Napolitano hinschmeissen könnte, um Neuwahlen zu ermöglichen. Er darf nämlich derzeit aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Neuwahlen anordnen. Die Gerüchte waren jedenfalls Unfug und zeigen wie wenig manche Italiener ihren Präsidenten kennen. Ein Hinschmeißen kam für Napolitano natürlich nicht in Frage. Zumal sich der Präsident von Neuwahlen keine Fortschritte verspricht. Nach Ostern setzt er jetzt zwei Kommissionen ein, die Lösungen für das Land erarbeiten sollen. In Italiens Politik wird ohnehin zu viel über Mehrheiten und zu wenig über Lösungen aus der Krise diskutiert.
Napolitano sollte den Kennedy geben
Vielleicht muss Napolitano seinen Landleuten zum Ende seiner Amtszeit deren fantastisch melodische Hyme als Aufruf erklären. Sie sollten zunächst an das Gemeinwesen und nicht nur an sich selbst zu denken. John F. Kennedy hat das mit seinem berühmten „Frage nicht was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!“ ausgedrückt. In Italiens Nationalymne heißt es im aufsteigenden Refrain:
Siam pronti alla morte, L’Italia chiamò! Sì!
Wir sind bereit zum Tod, Italien hat gerufen! Ja!