Investment-Banking am Wendepunkt? – Studie Roland Berger
Was manche Kritiker ohnehin fordern könnte bald Wirklichkeit werden. Ohne Zwang von außen: Vorhandene Überkapazitäten zwingen die Banken im Investmentbanking (IB) zu konsequenter Fokussierung, Kosteneffizienz und Konsolidierung.
Nach einer Erholung im ersten Quartal 2012 sind in der Investmentbranche aufgrund der aktuellen Krise für das Gesamtjahr Ertragseinbrüche um bis zu 15 Prozent zu erwarten. Der durchschnittliche Return on Equity (ROE) könnte von 15 Prozent im Jahr 2010 bis auf fünf Prozent fallen. Die Folge: Kapitalabzug droht der Branche. Diese muss differenzierte Strategien entwickeln, zumal Banken ihre Risikoaktiva reduzieren, ihre Wertschöpfungsketten stärker fokussieren und damit ihre Effizienz steigern müssen. Die Roland-Berger-Studie „Investment Banking Outlook Summer 2012 – at a turning point?“ sieht in den nächsten fünf Jahren eine Reduktion von 15 Prozent der weltweit 500.000 Arbeitsplätze im Investmentbanking voraus.
Herausforderungen
Die internationale Investment Banking-Branche steht vor großen Herausforderungen. Zwar erholte sich der IB-Sektor im ersten Quartal 2012 deutlich im Vergleich zum vierten Quartal 2011: Die weltweiten Branchenerträge verdoppelten sich auf 80 Milliarden Euro (Q1/2012). Doch die aktuelle Finanzkrise wirft Schatten auf die Zukunft der Branche. So könnten die Jahreserträge der IB-Industrie im Jahr 2012 im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 15 Prozent fallen. Der Return on Equity (ROE), der bereits 2011 deutlich nachgelassen hatte, könnte 2012 bis auf fünf Prozent fallen. Um einen Ausweg aus dieser Ertragsklemme zu finden, müssen sich kleinere Banken stärker auf bestimmte Produkte und Kundensegmente fokussieren. Aufgrund der deutlichen Überkapazitäten wird der Verdrängungswettbewerb zunehmen: Rund 15 Prozent der 500.000 Arbeitsplätze der Branche könnten daher in den kommenden fünf Jahren entfallen. Größere Finanzinstitute müssen ihre mittelfristigen Geschäftsstrategien auf die Verschiebung der Märkte in Richtung Asien ausrichten.
»Die Stagnation der reifen Märkte, die Wachstumsverschiebung in Richtung Asien und Lateinamerika, neue regulatorische Anforderungen sowie die anhaltende Euro-Krise stellen die internationale IB-Branche vor große Herausforderungen« erklärt einer der Coautoren Markus Böhme von Roland Berger Strategy Consultants. »Banken müssen daher ihre Geschäftsstrategien schnell anpassen: Kleinere Marktteilnehmer müssen sich vor allem auf einige Kernkompetenzen fokussieren; größere Banken müssen Risikoaktiva abbauen, Skaleneffekte aufbauen und ihre Präsenz in den Wachstumsmärkten stärken.«
Erholung nicht nachhaltig
Nach den herben Ertragseinbrüchen im zweiten Halbjahr 2011 erholte sich der internationale Investment Banking-Markt im ersten Quartal 2012: Erreichten die Erträge im letzten Quartal 2011 mit knapp 40 Milliarden Euro den Tiefstand, so setzte die Branche im ersten Quartal 2012 rund 80 Milliarden Euro um. Doch dieser Sprung ist nicht nachhaltig: »Verschiedene Faktoren wirken sich negativ auf die Entwicklung der Branche aus« warnt Roland Berger-Partner Kiarash Fatehi.
So gehen die Roland Berger-Experten davon aus, dass die IB-Branche im laufenden Jahr das globale Ertragsvolumen von 230 Milliarden Euro vom Jahr 2011 kaum übertreffen wird. Sollte sich jedoch das Marktumfeld weiter erhärten, könnten die globalen Jahreserträge sogar auf 200 Milliarden Euro fallen (-15%).
Kapitalabzug droht
Die negative Entwicklung des Return on Equity (ROE) der Branche zeigt, dass die Erholung des Marktes nur kurzfristig ist. Erreichten Investment-Banken im Jahr 2010 noch einen durchschnittlichen ROE von 15 Prozent, so lag dieser 2011 nur noch bei sieben Prozent. »Obwohl viele Banken schon lange angekündigt haben, ihre Überkapazitäten abzubauen, wird der ROE 2012 sicherlich im einstelligen Bereich bleiben und könnte bei weiterer Eintrübung sogar auf fünf Prozent fallen. Nur Anbieter, die sich durch ihren Portfolio-Schwerpunkt und mehr Effizienz differenzieren, werden in Zukunft profitabler sein.« prognostiziert Markus Böhme.
Die weitere negative Entwicklung des ROE könnte Folgen für Investment-Banken haben: Gerät das Kapital der Banken durch die starken Regulierungsvorgaben weiter unter Druck, so könnten Investoren in den nächsten Jahren mit einem Kapitalabzug drohen. »Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, müssen Banken ihre Profitabilität und Kapitaleffizienz steigern« empfiehlt Berger-Mann Kiarash Fatehi.
Ausweg aus der Krise
Um wieder profitabler zu arbeiten, stehen die internationalen Investment-Banken vor der Aufgabe, ihre Kapazitäten und Kosten deutlich zu reduzieren. So müssten Finanzinstitute ihre risikogewichteten Aktiva (RWA) um etwa 30 Prozent senken. Wichtig ist außerdem eine deutliche Reduktion der Kosten um rund ein Drittel. Die Roland Berger-Experten gehen zudem davon aus, dass in den nächsten fünf Jahren im Investment Banking etwa 75.000 Jobs weltweit abgebaut werden.
Mittelfristig werden sich vor allem Großbanken stärker auf neue aufstrebende Märkte fokussieren müssen, um profitabler zu sein: »Asiatische, südamerikanische und osteuropäische Märkte bieten Investment-Banken langfristige Wachstumsmöglichkeiten. Darauf sollten einzelne Banken ihre Geschäftsstrategie stärker ausrichten. Allerdings sollten sie auch auf das Risiko kurzfristiger Rückschläge auf diesen Märkten gut vorbereitet sein« so Markus Böhme. Kleinere Universalbanken hingegen sollten ihr Produktportfolio und ihre Wertschöpfungsketten stärker auf wenige Kundensegmente fokussieren, um die fehlenden Skaleneffekte zu kompensieren.
[divider top=“1″]Über Roland Berger
Roland Berger Strategy Consultants, 1967 gegründet, ist eine der weltweit führenden Strategieberatungen. Mit rund 2.500 Mitarbeitern und 51 Büros in 36 Ländern ist das Unternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt aktiv. Die Strategieberatung ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen Eigentum von rund 220 Partnern.
Artikelbild: Capture Titel Studie.