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GREXIT – die Argumente dagegen gehen aus

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22. August 2012

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GREXIT – die Argumente dagegen gehen aus

Anlässlich des Besuchs des neuen griechischen Premier Antonis Samaras rückt die Krisensituation der Griechen wieder ins Blickfeld der Kommentare. Dabei werden schon mal falsche Alternativen benannt, um die eigene Meinung ins rechte Licht zu rücken.

Griechenland leidet. Die Ursachen liegen in der Vergangenheit und haben etwas mit Korruption und den Akteuren der zwei immer noch regierenden Parteien Nea Dimokratia und Pasok zu tun. Hinzu kam die fatale Entscheidung der Politiker, dem Euroraum beitreten zu wollen. Statt das Land zu reformieren und die zu niedrigen Zinsen für Anpassungsprozesse zu nutzen, verspielten die griechischen Politiker ein Jahrzehnt. Der scheinbare Wohlstand kam zwar mit dem Euro, aber diese Zeit ist vorbei. Die Folge sind jetzt Reformen, die natürlich diejenigen treffen, die am wenigsten flexibel sind. Kapital wandert ins Ausland und viele Menschen bleiben.

Die Politiker hierzulande hatten seinerzeit mit politischen Argumenten für einen ökonomisch fragwürdigen Beitritt Griechenlands gestimmt. Die resultierenden Probleme liegen jetzt offen auf dem Tisch.

Samaras vor Gesprächen in Berlin und Paris

Antonis Smaras – EPP Kongress Bonn 2012 – Wiki Commons.

In dieser Woche führt Samaras mehrere politische Gespräche mit Jean-Claude Juncker, Angela Merkel und Francois Hollande. Im Vorfeld der Treffen sagte Samaras: »Es würde mindestens fünf weitere Jahre Rezession bedeuten und die Arbeitslosigkeit würde über 40 Prozent steigen. Ein Alptraum für Griechenland: wirtschaftlicher Kollaps, soziale Unruhen und eine nie dagewesene Krise der Demokratie. Am Ende wäre es wie in der Weimarer Republik.« Samaras will von der EU mehr Zeit für die Umsetzung von Reformen. »Wir fordern kein zusätzliches Geld. Alles, was wir wollen, ist ein wenig mehr Luft zum Atmen, um die Wirtschaft rasch in Gang zu bringen und die Staatseinnahmen zu erhöhen. Mehr Zeit bedeutet nicht automatisch mehr Geld.«

Gerne würde man dem neuen Mann an der Spitze in Hellas glauben. Aber die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen ein anders Bild. Leider.

Die griechischen Regierungen hatten mehrfach Taschenspielertricks angewandt, um im Milliardenpoker kleine Vorteile zu erringen. So hieß es im Oktober 2011, man müsse schnellstmöglichst Hilfszusagen erhalten, um nicht Pleite zu sein. Als sich Widerstand regte und unter anderem Deutschland wegen Diskussionen über die Parlamentsbeteiligung nicht sofort entscheiden konnte, fanden die griechischen Politiker doch noch zwei Milliarden Euro, um über die Runden zu kommen. Vertrauenerweckend sind solche Aktionen nicht. Wieso es bei Samaras anders laufen sollte, ist zumindest fraglich.

Wie man Meinung macht

Erneut versuchen Politiker durch allerlei rhetorische Tricks und „politische Zweckargumente“ zu begründen, weshalb Griechenland im Euro bleiben sollte. Politiker wie Hubertus Heil behaupten wider oder ohne besseres Wissen, Griechenland sei die Wiege der Demokratie und gehöre daher in den Euro. Andere beschreiben den Austritt von Griechenland aus dem Euro als das Ende der Europäischen Union. Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, hielt Hilfsverweigerungen für Griechenland für schlicht „unsolidarisch“ und „schäbig“. Das ist die ganz große moralische Keule sozusagen.

Aufgepasst: Wenn Politiker mangels guter Argumente politisch oder emotional argumentieren, sollte Wachsamkeit die oberste Pflichtaufgabe für Kommentatoren sein. Denn es fehlt offenkundig an guten Argumenten.

Der Trick mit den falschen Alternativen

Neben Politikern versuchen auch Journalisten gelegentlich ihre Meinung durchzudrücken. SZ-Redakteur Alexander Hagelüken beispielsweise hält den Grexit für einen „teuren Irrtum“ und begründet das wortreich und rhetorisch geschickt, aber inhaltlich nicht überzeugend. Bei Hagelücken heißt es: „Es sind vor allem zwei Kosten, die den Befürwortern eines schnellen Grexit bewusst sein müssen. Zum einen würden der griechische Staat und seine Wirtschaft ins Chaos stürzen. Die mit einer weichen Drachme kaum bedienbaren Schulden und die vermutlich ausbleibenden Investitionen, das alles könnte das Land kaum verkraften. Es bliebe auf Unterstützung angewiesen, welche die anderen Regierungen dem EU-Partner wohl nicht versagen werden.“

Er verzichtet auf die gedankliche Alternative, die Griechen zunächst vollends zu entschulden. Erst danach träte das Land aus dem Euro aus und startet dann mit einer eigenen Währung durch. Die schwache Drachme hätte also als Argument keine Bedeutung.

Bleibt noch das Chaos. Das klingt, als wäre die aktuelle Situation für Griechenland nicht schon so zu bewerten. Fakt ist: In der aktuellen Situation müssen Investoren Abenteurer sein, wenn sie Geld in das Land transferieren, um dort Geschäfte zu machen. Ein Aspekt, den Hagelüken völlig ignoriert.

Wie man die richtigen Argumente falsch interpretiert

Hagelüken glaubt bei einem Austritt Griechenlands würden Finanzakteure gegen Spanien, Portugal und Italien spekulieren. Das ist linker und politischer Rethorik geschuldet, aber für einen Volkswirt eine ziemlich steile These, die auf den eigenen Vorurteilen basiert.  Zudem erwähnt Hagelüken die Bedeutung der Psychologie für die wirtschaftliche Entwicklung. Das ist ein weiteres untrügliches Zeichen für das Fehlen von stichhaltigeren Argumenten.

Manchmal lässt man auch einfach Argumente unter den Tisch fallen, um die eigene Position zu stärken. Das Verfassungsgericht, der Bundespräsident und die Parlamentarier werden bei der „Euro-Rettung“ hierzulande durch die Regierung zum offenen Verfassungsbruch getrieben. Und das nur, weil die Politik zu feige ist, Griechenland die Staatspleite erklären zu lassen. Die langfristigen Folgen solcher Entwicklungen sind ebenfalls in eine Bewertung einzubeziehen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt der Überlegungen zeigt sich, dass das Bewerten von Kosten der Handlungsalternativen ein ziemlich nutzloses Unterfangen ist.

Steingrimur Sigfusson, der isländischen Wirtschaftsminister, erklärt den Weg der Isländer in der FTD. Einen Vorteil sieht er in der Abwertung der eigenen Währung. Ein Weg, der Griechenland nicht zur Verfügung steht. Das bleibt in aufgeregten Talkshow-Diskussionen meist außen vor, ist aber das entscheidende ökonomische Argument. Selbst die Türkei macht es den Griechen vor. Das Land blüht auf und profitiert vom Tourismus. In Griechenland hingegen meldeten Reiseveranstalter in diesem Jahr einen Besucherrückgang um 30 Prozent. Dsa Land ist zu teuer im Vergleich und die kolportierte mediale Stimmung ist ebenfalls keine Hilfe.

Wer schreibt, „Griechenlands Rauswurf kostet mehr, als er bringt“, der sollte die sachlichen Argumente vollständig wägen und emotionalen sowie politischen Argumenten nicht zu viel Raum gewähren. Der Kommentar von Alexander Hagelüken ist sympathisch, da er an die Gestaltungskraft von Politik zu glauben scheint. Naiv ist er aber ebenfalls, wenn er Politikern glaubt, die große Worte finden, deren Taten aber bislang nicht überzeugen konnten. Denn das war die einzige Konstante der griechischen Politik in den letzten 15 Jahren. Leider.

Artikelbild: Drachmen-Schein. Wiki-Commons.
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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.