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FDP-Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger läuft politisch Amok

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2. September 2012

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FDP-Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger läuft politisch Amok

Der Wahlkampf beginnt: Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will „Datenhehlerei“, verstanden wird darunter aktuell vor allem der Ankauf von gestohlenen Steuerdaten, verbieten. Eine Steilvorlage für den politischen Gegner.

Bisher ist der Ankauf von Steuer-CDs für die Fahnder hierzulande nicht strafbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und ihren Parteifreunden gefällt das gar nicht. Deshalb kam die vergessene Ministerin jetzt aus der politischen Versenkung zurück. Ihr Vorschlag ist, dass man die politisch ungewollte Praxis des Ankaufs von Daten als das einschätzt, was sie eigentlich ist. Denn natürlich – auch nach deutschem Recht – ist der Diebstahl von Daten nicht besser oder erlaubter als der Diebstahl von sagen wir Film-DVDs.

Was die Ministerin meint

In einem Interview mit der Rheinischen Post sagte die Ministerin: „Der Ankauf bewegt sich in einem hochproblematischen Graubereich, nicht nur ethisch-moralisch, sondern auch juristisch. Die Rechtslage ist da für mich auch nicht immer einleuchtend. Wer seinem Arbeitgeber den CD-Rohling entwendet, auf dem er dann die Daten speichert, macht sich wegen des Diebstahls des Rohlings selbst unzweifelhaft strafbar. Das gilt grundsätzlich ebenso unzweifelhaft für denjenigen, der die CD erwirbt, aber eben nur wegen der Centbeträge für den Rohling, nicht für die Daten. Ob das so bleiben kann, sollten wir schon prüfen.“

Leutheusser-Schnarrenberger erläutert die Position der Bundesregierung weiter und teilt einen Seitenhieb Richtung Opposition aus: „Mit dem Abkommen wollten wir eine legale Grundlage schaffen, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Ich finde es unverantwortlich, dass SPD und Grüne das Steuerabkommen aus populistischen Gründen scheitern lassen.“

Rückpass vor dem eigenen Tor

Zugegeben: Was die SPD-Landesminister in Sachen Schweizer Steuerabkommen derzeit veranstalten ist nicht die feine politische Art. Das unerwünschte Steuerabkommen mit der Schweiz soll mit Hilfe der Mehrheit im Bundesrat noch gekippt werden. Der gefundene Kompromiss mit den Eidgenossen ist den Sozialdemokraten zu faul. Die Verhandlungsführer hatten sich auf eine Quellensteuer in der Schweiz geeinigt, sowie einmalige Zahlungen aus dem in der Alpenrepublik gebunkerten Kapital. Dafür muss der Name des Steuerhinterziehers nicht genannt werden und bleibt anonym.

Auch haben die Sozialdemokraten wenig überraschend errechnet, dass hinterzogenes Kapital bei der gefundenen Regelung gut wegkommt im Vergleich zu steuerehrlichen Zahlern. Seit Monaten torpedieren daher SPD-regierte Länder das Abkommen, indem Steuer-CDs aus der Schweiz angekauft werden. Das lohnt sich auch ohne Abkommen für den Staat, denn es kommt mit jeder Meldung über den Ankauf von Steuer-CDs zu Selbstanzeigen reuiger Steuersünder. Hintergrund: Ist ein Verfahren erstmal eingeleitet, gibt es keine Straffreiheit mehr.

Die Äußerungen der Justizministerin wirkten in dieser Situation ohne eigene Handlungsoptionen wie eine Drohgebärde. Herausgekommen ist ein Leichtsinnsrückpass vor dem eigenen Tor. Jedenfalls konnten Oppositionspolitiker mit ihren öffentlichen Reaktionen leicht punkten. Grünen-Chef Cem Özdemir beispielsweise erklärte: „Die schwarz-gelbe Koalition kann am Ende ihrer Amtszeit eine Bilanz sicher ziehen: Sie hat alles gegeben, um jene Steuerhinterzieher vor den deutschen Steuerbehörden zu schützen, die ihr Vermögen ins Ausland geschafft und dort versteckt haben.“

Der Zweck und die Mittel

Natürlich ist der aktuelle Zustand der Beziehungen zur Schweiz nicht ideal oder dauerhaft akzeptabel. Die Frage lautet auch, ob für den Staat der Zweck die Mittel heiligt. Insbesondere Juristen achten auf die Legalität des eigenen Handelns, da sie die langfristigen Folgen staatlichen Handelns berücksichtigen müssen. Deshalb ist beispielsweise Staatsdienern die Folter von Kindesentführern zum Auffinden des Kindes verboten, obwohl vermutlich die meisten Deutschen emotional dafür wären.

Wichtig ist: Im Fall der Steuer-CDs wird die Straftat nicht in Deutschland, sondern vor allem in der Schweiz begangen. Daraus entsteht hierzulande also weniger ein moralisches als mehr ein zwischenstaatliches Problem. Auf der anderen Seite sollte man bei allzu lauten Rufen nach dem angeblichen Hehler Staat auch berücksichtigen: Die Schweiz hatte sich bislang nicht sonderlich um die Rechtsunterschiede zur deutschen Steuergesetzgebung gekümmert und der Finanzstandort Schweiz hatte vom Bankgeheimnis jahrzehntelang profitiert. Also ist auch auf Schweizer Seite viel Scheinheiligkeit in dieser Debatte vorhanden.

Politischer Amoklauf der FDP-Bundesministerin

Am besten fasst Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD) die populäre Gegenposition zusammen, welche der FDP-Frau gegenübersteht. Schmidt warf der Bundesjustizministerin vor, Steuerkriminelle schützen zu wollen: Der Staat „holt sich nur zurück, worauf er Anspruch hat. Deshalb ist das auch keine Hehlerei.“ Schmidt plädiert also für eine Art staatlichen Notstand. Es wäre „fatal“, dem Staat dieses Instrument vorzuenthalten. „Die FDP vertritt hier nicht den Staat, sondern Steuerkriminelle.“

Selbst wenn man diese Meinung von Schmidt mit respektablen juristischen Gründen für falsch hält: Die jüngste Aktion von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist politisch instinktlos, da sie jedes denkbare schlechte Klischee über die FDP bedient. Wer wie Leutheusser- Schnarrenberger ein Interview ohne erwartbaren politischen Vorteil führt, der läuft politisch Amok.

Artikelbild: Wiki Commons. Urheber. Siebbi.
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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.