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Draghi trifft im Bundestag auf Bedenkenträger

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25. Oktober 2012

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Draghi trifft im Bundestag auf Bedenkenträger

Mario Draghi stellte sich im Bundestag. Leider durfte er nicht im Parlament sprechen, sondern nur vor Abgeordneten. Die Europäische Zentralbank veröffentlichte zumindest seine Rede. Draghi überzeugt nicht alle, aber viele.

 
In seiner Rede vor Parlamentariern unterschiedlicher Ausschüsse ging Mario Draghi vor allem auf die Kritik an der EZB-Politik ein. Im Mittelpunkt der Rede standen die „Outright Monetary Transactions“ (OMTs), also die außergewöhnlichen Maßnahmen der EZB. Im September hatte der EZB-Rat verschiedene neue Instrumente angekündigt. Dazu gehört der unbegrenzte Kauf von Staatsanleihen von Schuldnerländern. Diese müssen sich aber zunächst offiziell unter den ESM-Schirm begeben. Das hatte hierzulande zu teils heftigen Reaktionen und Kommentaren geführt.

Draghis Themen

EZB-Chef Mario Draghi warb am Mittwoch im Bundestag für die EZB-Strategie zur Bekämpfung der Euro-Krise. Draghi stellte sich gegen die Bedenken der Bundesbank, die höhere Risiken durch den Kauf von Staatsanleihen erwartet. Mario Draghi sieht das genau andersrum, denn die Geldpolitik funktioniert nicht mehr wie gewünscht.

Ein anderer Kritikpunkt an der Politik des „leichten Geldes“ vermutet höhere Inflationsgefahren. Eine typisch deutsche Diskussion, für die Draghi Verständnis zeigte. Der Notenbankchef sieht die größten Risiken hingegen in einem deflationären Umfeld. Seine Sicht beruht auf gestörten Übertragungswegen. Aus Sicht des Notenbankers ist also der „Transmissionsmechanismus“ gestört. Dahinter verbirgt sich, dass die niedrigen Zinsen nicht mehr bei Unternehmen und Privaten ankommen.

Draghis Fazit

»Die jüngsten Maßnahmen der EZB dienen dazu, Preisstabilität im gesamten Euroraum zu gewährleisten. Zudem tragen sie zur Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds bei. Um die Aufgabe einer wirtschaftlichen Erneuerung zu vollenden, dürfen die Regierungen des Eurogebiets jedoch nicht in ihren Anstrengungen nachlassen.

Es ist Aufgabe der Regierungen, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Es ist Aufgabe der Regierungen, ihre Volkswirtschaften zu reformieren. Und es ist Aufgabe der Regierungen, effektiv zusammenzuarbeiten, um eine institutionelle Architektur für das Eurogebiet zu schaffen, die im Interesse seiner Bürgerinnen und Bürger ist.

Wir befinden uns bereits auf dem richtigen Weg. Überall im Euroraum werden Defizite zurückgefahren, die Wettbewerbsfähigkeit wird verbessert und Ungleichgewichte werden beseitigt. Außerdem arbeiten die Regierungen ernsthaft daran, die Wirtschafts- und Währungsunion zu vollenden.

Es ist wichtig, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs den Kurs halten. Dann werden sie das ungeheure Potenzial des Euro freisetzen können, um den Lebensstandard der Menschen im Eurogebiet zu steigern und das Projekt der europäischen Integration voranzutreiben.«

Reaktionen

Draghi sah die Gespräche als sehr produktiv an. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zeigte sich zufrieden und sagte, die Zusammenkunft habe das wechselseitige Verständnis gefördert. Der CDU-Haushaltssprecher Norbert Barthle zeigte sich ebenfalls zufrieden und etikettierte Draghi als „italienischen Preußen“.

Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, wünscht sich mehr Einblick in die Arbeitweise der Europäischen Zentralbank. »Der heutige Besuch kann nur ein erster Schritt sein. Es braucht wesentlich mehr Information für die Öffentlichkeit. Dies muss ein Anfang einer neuen Transparenzoffensive der EZB sein« sagte Schick. Carsten Schneider von der SPD wollte endlich von der Bundesregierung mehr Ehrlichkeit und sah noch Defizite bei der Legitimierung der Notenbanker. Er kritisierte, dass die EZB Risiken eingehe, die der Steuerzahler letztlich bezahlen müsse.

FDP-Euro-Rebell Frank Schaeffler freute sich über die Geste des EZB-Präsidenten und wird so zitiert: »Aber am Ende zählt, was er macht. Es hilft nicht, sich als ein Falke zu präsentieren, wenn man eine Taube im Falkenkleid ist.«

Störfeuer im Vorfeld

Pünktlich zum Auftritt Draghis gab Jürgen Stark, Ex-EZB-Chefvolkswirt, der deutschen Wirtschaftspresse Interviews. Stark vertrat die Meinung, dass die EZB ihr Mandat mit den Anleihekäufen überdehnt. Dabei geht Jürgen Stark weniger mit den ehemaligen Kollegen ins Gericht, als viel mehr mit den Regierenden. Die Versuche der Krisenlösung sieht Stark als Stückwerk an. Er hofft auf ein „Gesamtkonzept zur Weiterentwicklung der europäischen Integration“.

Kommentar

Stark irrt, wenn er den Aufkauf von Staatsanleihen, also bereits ausfinanzierter Wertpapiere am Zweitmarkt mit Staatsfinanzierung gleichsetzt. Das ist zunächst einfach nur ein gutes Geschäft, das Kosten der Kapitalrückführung reduzieren hilft. Durch die Regelbindung an den ESM sorgt die Zentralbank zudem vor Schutz gegenüber Willkür.

Auch sind viel zu viele Volkswirte in dieser Krise in alten Denkweisen verhaftet: Inflation ist längst nicht mehr ein einfaches Problem der Geldmenge. Dauerhaft problematischer sind allerdings die niedrigen Renditen bei deutschen Staatspapieren für die ehemals soliden Altersvorsorgesysteme hierzulande. Preisblasen sind tatsächlich die Folge. Denn Geld zu guten Konditionen bekommt vor allem, wer es nicht benötigt. Diese Anleger stecken ihr Geld in Immobilien und Wertpapiere.

Die ersten Reaktionen zeigten auch, dass die meisten Politiker mit dem Verstehen der Finanzkrise und der Finanzmärkte noch nicht sonderlich weit sind. Schuld daran ist auch die Bundesbank und ihre Falken. Die Bundesbank verhielt sich hierzulande zu lange als Akteur, der verschnupft darüber war, dass das brennende Haus aus Papier und nicht aus Stein gebaut war.

Es wäre angemessener für die Bundesbank gewesen, den Fokus früh auf die Notwendigkeit politischer Lösungen zu lenken. Aber kann man das erwarten, wenn an wichtigen Schaltpositionen in Notenbanken ehemalige Politikberater sitzen? Nein. Die Bundesbank ist nicht wirklich politisch unabhängig. Mit dieser Mär sollte zuerst einmal aufgeräumt werden. Und dann stellt man vielleicht fest, dass die EZB und ihr Präsident richtig gehandelt haben.

Die Rede (in deutscher Sprache) veröffentlichte die Europäische Zentralbank auf ihrer Homepage.

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.