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Die törichte Kanzlerin

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27. Juni 2012

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Die törichte Kanzlerin

Vor Parlamentariern der FDP soll Angela Merkel gesagt haben, es gebe keine gesamtschuldnerische europäische Haftung solange sie lebe. Damit erteilte die Kanzlerin Euro-Bonds erneut eine Absage. Sie schränkt ihren Handlungsspielraum weiter unnötig ein. Töricht.

Der Satz, den man auch als politische Aufforderung zur Abwahl verstehen könnte, zeigt einmal mehr das wenig ausgeprägte Politikverständnis von Angela Merkel. Sie setzt auf Macht und nicht die Macht der Argumente. Diese Kanzlerin will „durchregieren“ und nicht von anderen auf Fehler hingewiesen werden. Der aktuelle Satz ist eine Botschaft an ihre eigene Fraktion.

Dass Angela Merkel gerne die falschen Vokabeln wählt, passt ins Bild dieser Kanzlerin, die gelegentlich Satzfetzen raushaut, die politisch saudumm sind. Zu Guttenberg beispielsweise wäre vielleicht zu halten gewesen, wenn Angela Merkel nicht den Satz vom wissenschaftlichen Mitarbeiter formuliert hätte. Danach nahm der Widerstand gegen den „größten Hochstapler seit Felix Krull“ unter Akademikern erst richtig an Fahrt auf. Auch bezeichnete sie den Rücktritt von Horst Köhler als mögliche Verfassungskrise. Auch das war so ein merkwürdiger sprachlicher Aussetzer, außer der Bundespräsident sah sich erpresst und wollte die ersten europäischen Hilfen nicht unterschreiben. Der Rücktritt eines Bundespräsidenten ist vielleicht für eine Regierung mit schwindenden Mehrheiten eine politische Herausforderung, aber nicht mehr.

Zudem ist der Satz von Angela Merkel schon jetzt überholt: Deutschland haftet längst gesamtschuldnerisch über verschiedene Mechanismen und Instrumente für die anderen Staaten. Ganz zu schweigen von der Haftung für Staatsanleihenkäufe durch die Europäische Zentralbank.

Angela Orientierungslos

Angela Merkel bewegt sich seit Monaten in fremdem Terrain. Als Naturwissenschaftlerin sind für sie Problemanalyse und Problemlösung Teil eines Prozesses. Genau das hat Merkel schon mehrfach als Politik der kleinen Schritte bezeichnet. Was im Labor tatsächlich so funktioniert ist allerdings im richtigen Leben und in der Wirtschaftswelt nicht unbedingt der richtige Weg. Denn die Situation ändert sich täglich. Es wird immer dramatischer.

Daher müssen die Politiker systemische Antworten finden, die nicht beim nächsten Gipfel, also in zwei Wochen wieder, überholt sind. Inhaltlich scheitert Merkel ständig genau daran. Sie will nur kleine Schritte machen und müsste stattdessen ein politisches Wagnis eingehen. Stattdessen wird jetzt von Merkel sogar ein Verfassungsverstoß erwogen, um ihre Lösung durchzusetzen. Nichts anderes sind die Kungelrunden im Kanzleramt und da spielt keine Rolle, ob man die Opposition hinzuholt.

Schon die politische Analyse der Bundesregierung und Opposition ist falsch: Der scheinbar wichtigste Player ist gar nicht greifbar. Politiker sprechen gerne von „den“ Finanzmärkten. Das Problem ist dabei, dass ein Markt kein Gesprächspartner ist, sondern ein zentraler Regelmechanismus. Auf diesem Markt gibt es natürlich wichtige Player, aber keiner ist groß genug, um für „die“ Märkte zu sprechen. Daher schieben zumindest die meisten Politiker den Finanzmärkten die Schuld für die aktuelle Misere zu. In Wirklichkeit haben wir es hier mit massivem Politkerversagen zu tun. Angefangen bei griechischen Vorturnern, die sich den Eintritt in die Währungsunion erschlichen haben. Das sieht Angela Merkel genauso. Ihr Problem ist nur, dass sie keinen Ausweg sieht.

Die Situation auf den Anleihemärkten

Der Mechanismus auf dem Markt für Staatsanleihen führte zu steigenden Zinsen für Spanien und Italien. Deutschland erhält seit Monaten eine Gewinnerdividende und zahlt negative Realzinsen für Staatsgeld. Genau die günstigen Konditionen sind aber ein weiteres Krisenindiz und müssen mittelfristig abgebaut werden. Das mag Bevölkerung und Politikern der Regierung nicht vermittelbar sein, aber ist unabdingbar.

Die italienischen und spanischen Zinsen müssen sinken und die der Deutschen steigen. Das wäre übrigens ein marktkonformer und einfacher Umverteilungsmechanismus, den die Staaten in Bewegung setzen könnten. Dazu wäre dann eine endlich mal wieder glaubhafte politische Erklärung notwendig. Eurobonds genügen vermutlich schon als Ziel, um die genannten Absurditäten an den Finanzmärkten abzubauen. Danach freilich müssen die Staatschefs nachlegen. Auch als Merkel die Spareinlagen garantierte, gab die Kanzlerin im Oktober 2008 eine politische Erklärung ab, die sie nicht eingelöst hätte. Genauso könnte Angela Merkel jetzt eine politische Erklärung abgeben.

Was Merkel & Co. erreichen können

Politiker sollten sich auf die eigenen Aufgaben konzentrieren. Das ist in erster Linie das Schaffen von Vertrauen in die Lösungskompetenz der agierenden Politiker. Genau hier scheitern die Akteure seit zwei Jahren. Ständig geistern neue Vorschläge im politischen Europa herum. Vor dem aktuellen Gipfel hatten vier Präsidenten ein neues Papier geschrieben: EZB-Präsident Mario Draghi, Noch-Euro-Chef Jean-Claude Juncker, José Manuel Barosso und EU-Ratspräsident Herman van Rompuy. Natürlich kam die Absage aus Berlin sofort. Dabei wird häufig die Diskussion unnötig auf die gemeinsame Haftung verengt.

Angela Merkel steht durchaus für mehr Integration. Allerdings muss zunächst die Kontrolle geregelt werden, bevor man über gemeinschaftliche Haftung nachdenkt. So Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung am Mittwoch. Angela Merkel will der europäischen Ebene Durchgriffsrechte auf die nationalen Haushalte übertragen. Dahinter steckt nicht nur nachvollziehbare Vernunft und Erfahrung der letzten zwei Jahre mit Veränderungsprozessen, sondern vor allem drückt Merkels Position ein tiefes politisches Misstrauen gegenüber den anderen Regierungschefs in Europa aus. Das ist die wirkliche politische Hypothek in der aktuellen Situation. Keiner traut niemandem.

Der Lakai in der Bundesbank

Bundesbankpräsident Weidmann

Bundesbankpräsident Weidmann

Flankiert wird die Bundesregierung von ihrem Lakaien in der Bundesbank. Jens Weidmann wurde von Angela Merkel genau dafür installiert. Von wegen unabhängig. In der Süddeutschen veröffentlichte Weidmann einen Gastbeitrag: »Auch im dritten Jahr der Krise ist kein Ende in Sicht. Stattdessen wird als Antwort auf den gravierenden Vertrauensverlust zunehmend diskutiert, die Verantwortung für die Krisenlösung stärker auf die europäische Ebene zu schieben, die Gemeinschaftshaftung auszuweiten und die gemeinschaftliche Notenpresse laufen zu lassen.«

Mit vielen Sätzen in seinem Beitrag hat Weidmann zweifelslos Recht. Weidmann verschweigt aber die destruktive Position der Bundesbank und der Bundesregierung, die die aktuelle Situation in anderen Ländern ausblendet und die politische Unruhen in der südlichen Peripherie als wichtigen Faktor ignoriert. Ein Beispiel: Angeblich gehe bei Eurobonds für die Länder der Druck verloren, wenn man Schulden teilweise vergemeinschaftet. Dieses Argument ist nicht redlich und wird den zahlreichen Vorschlägen nicht annähernd gerecht.

Madame No

Die aktuelle Diskussion kann man mit einem Bild beschreiben: Das Haus brennt und die anderen Regierenden wollen zunächst löschen. Angela Merkel hält den Wasserschlauch in den Händen und  diskutiert grundsätzlich mit den anderen Hausbesitzern darüber, weshalb das Haus Euro aus Holz und nicht Beton gebaut wurde. Inzwischen ist das Dach bereits niedergebrannt: Griechenland sowie Spanien stehen vor dem Austritt aus dem Euro. Wenn das Haus dann niedergebrannt ist, werden Angela Merkel und Jens Weidmann immer noch rufen: „Ich hatte Recht!“. Dumm, dümmer, Merkel.

Das eigentliche politische Ärgernis ist, dass die Regierenden in ihren Diskussionen immer noch nicht weiter sind als vor einigen Monaten? Als habe es zwischendurch keine Krise gegeben. Das liegt vor allem an der Bundeskanzlerin, die, statt konstruktiv zu diskutieren und anderen zuzuhören, ständig erklärt, was alles nicht funktioniert. Nur mal zur Erinnerung. Im Frühjahr 2010 setzte Deutschland Strafzinsen für Griechenland durch. Im Herbst 2010 hatten Barrosso und van Rompuy schon eine stärkere politische Integration eingefordert. Damals lehnten Nicolas Sarkozy und Angela Merkel ab. Im Winter 2010 schlugen dann einige Politiker Eurobonds vor. Angela Merkel sagte Nein.

Die destruktive deutsche Krisenpolitik, die seit Monaten reagiert anstatt zu agieren, ist längst ein eigener Krisenfaktor. Deutschland führt nicht in Europa, sondern ist ein politischer Zwerg. Angela Merkel will kein stärkeres Europa. Angela Merkel und die Bundesregierung haben gar keine Vorstellungen über die Zukunft. Das ist die politische Hypothek der Regierung Merkel, deren Tage jetzt angezählt sind. Denn Eurobonds kommen, aber dann hoffentlich auch in der deutschen Verfassung verankert.

Artikelbild: Hompage Angela Merkel. Jens Weidmann Copyright Bundesbank.

 

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.