Deutsche Schwimmer verbaden sich bei Olympia
Amerikaner und andere sind bei Olympia den deutschen Schwimmern um Lichtjahre enteilt. An dieser Einschätzung ändern auch vereinzelte Lichtblicke nichts. Es muss Veränderungen geben.
Das war krass und ist in modernen Schwimmzeiten so noch nie vorgekommen. Im Aquatics Center in London erhielten deutsche Schwimmer diesmal keine Madallien. Bei den Einzelschwimmern gab es trotz Dutzender Starts nur zwei vierte Plätze und nur wenige Finalteilnahmen. Bei den Staffeln waren es bei den Männern gerade einmal zwei Achtungserfolge der Männer. Die Frauen-Staffeln hatten nicht einmal eine Finalteilnahme zustande gebracht. Ansonsten hatte man den Eindruck, dass die Schwimmer beim besten Willen der Athlethen einfach nicht mithalten konnten.
Gründe für die deutsche Misere?
Es ist erschreckend, wenn deutsche Schwimmer bei zwei Starts am Tag taktieren müssen, da sie die Ausdauer für zwei Rennen am Tag offenbar nicht zu haben scheinen. Athleten mit der Form sind falsch bei Olympia. Beispielsweise starteten mehrere Amerikaner innerhalb von weniger als 30 Minuten zu zwei Finalläufen und brachen nicht ein, sondern gewannen Olympia-Gold. Entweder die anderen verwenden unerlaubte Mittelchen oder beim deutschen Training stimmt etwas grundlegend nicht. Woran es lag müssen jetzt die Verantwortlichen entscheiden.
Vielleicht sollte es der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) einmal mit Benchmarking, also Vergleichen mit den Besten, versuchen. Wie oft und wie intensiv trainieren die US-Amerikaner? Warum sind junge Schwimmerinnen – das war auffällig – aus den USA, China und Litauen so erfolgreich gewesen. Warum waren Nationen wie Frankreich und die Niederlande so viel erfolgreicher. Das ZDF vermutet Doping, aber es könnten auch einfach 3000 bis 5000 mehr geschwommene Bahnen in der Vorbereitung gewesen sein. Trainingsfleiß genannt. Vielleicht haben deshalb besonders deutsche Schwimmer von den Schwimmanzügen profitiert.
Die Schwimmwelt außerhalb des DSV ist sich übrigens einig. Beim Verband müssen einige grundlegende Veränderungen her. Ausgerechnet der zweitstärkste deutsche Sportverband hat keinen Bundestrainer. Jetzt sind Bundestrainer weniger die Taktiker am Beckenrand, die wie beim Fußball mal Halbfinals vergeigen. Die Aufgabe eines Bundestrainers ist mehr die Koordination der Nachwuchsarbeit, Abstimmung mit den Leistungszentren und ein stimmiges Gesamtkonzept. Im Schwimmen ist schon längere Zeit der Wurm drin und nach einer katastrophalen Bilanz müssen neue Ideen her. Vielleicht muss die Mannschaft verkleinert und die Zahl der Starts verringert werden. Möglicherweise wären weniger Leistungszentren ein Weg, um den Konkurrenzkampf untereinander zu fördern.
Sportförderung folgt dem Leistungsprinzip
Die Fragen sind übrigens keineswegs unfair, denn Sportarten werden vom Bundesinnenministerium gefördert und öffentliche Gelder sollten möglichst effizient eingesetzt und verteilt werden. Wenn man das in Medaillien messen will, dann fällt auf, dass ein kleiner Verband wie die Judoka mit nur elf Startern vier Treppchenplätze erkämpfen konnte. Und das bei deutlich weniger Chancen. Warum sollte man also nicht gezielt Verbände fördern, die offenbar ein erfolgreicheres Training auf die Beine stellen können.
Darüber hinaus sollten Bundesinnenministerium und Sportverbände ihre Zielvorgaben zu Olympia veröffentlichen. Transparenz kann nie schaden und ein Maßstab auch nicht. Aber Sportpolitiker geben lieber Geld aus als Rechenschaft abzulegen. Die jüngste Weigerung der Innenministeriums, das die Zahlen trotz eines Gerichtsurteils nicht veröffentlichen will, sind daher mehr als nur ärgerlich.
Andere Verbände haben es auch geschafft
Es gibt dennoch Hoffnung. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hatte ähnliche Probleme in der Vergangenheit und der Verband besann sich auf seine Stärken und fördert inzwischen gezielter. Das beste Beispiel lieferte jüngst der Kugelstoßer David Storl, der mit persönlicher Bestleistung bei Olympia eine Silbermedallie errang. Der Chemnitzer Storl ist noch gar nicht so lange in der Weltspitze dabei und dennoch schon etabliert in der Weltspitze. Die Leichtathleten haben eine Zielvorgabe von sechs Medallien – zwei sind nach zwei Tagen schon eingefahren.
Dabei geht es nicht nur um die Zahl der Einzelerfolge. Die Kurzinterviews mit den Sportlern sprechen manchmal Bände. Die Olympiafahrer der Leichtathleten wollen sämtlich Bestleistungen zeigen und gehen hart mit sich selbst um. Der Leistungsdruck wird nicht als Belastung empfunden und es gibt eine realistische Einschätzung des eigenen Leistungsvermögens. Bei vielen deutschen Schwimmern ist das offenbar nicht so. Die Trainer scheinen ihren Sportlern eine Kuschelatmosphäre geschaffen zu haben. Leistungsfördernd war das nicht. Bei den deutschen Schwimm-Olympioniken diente Olympia offenbar als Saisontest für das eigene Leistungsvermögen.
Britta Steffen, die mit dem vierten Platz das beste Einzelergebnis bei den Frauen erzielte, erkannte erst in London, dass sie nicht mehr zur absoluten Weltspitze gehört. Das hätte man auch vorher herausfinden können. Britta Steffen, die Olympia geniessen wollte, erinnert mit ihren Äußerungen an Birgit Prinz, die vor der Fußball-WM in Deutschland ähnlich formulierte. Das ist die falsche Grundeinstellung. Olympische Spiele sind in erster Linie ein sportlicher Wettkampf und kein Ausflug. Um im Olympiabecken nur baden zu gehen, ist – bei allem Verständnis für einzelne Athleten – der Aufwand im Vorfeld etwas groß.