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„Banken denken immer noch in Produkten“

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26. Juni 2012

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„Banken denken immer noch in Produkten“

Ökonomen der Frankfurt School of Finance & Management veröffentlichten die Studie „Kundennutzen von Bankprodukten“. Die Wissenschaftler stellen damit einen neuen Bezugsrahmen für Finanzprodukte vor. Anmerkungen zu einem Gespräch mit Professor Dominik Georgi über die Studie.

Die Finanzkrise brachte manche Gewissheit der Finanzwelt ins Wanken. Gerne stellt sich die Bankenbranche als innovativ und vor allem kundenfreundlich dar. Aber ist das tatsächlich so? Eine neue Studie über Bankprodukte meldet leichte Zweifel an. Grundsätzlich – so der Marketinggedanke – sollten Unternehmen oder Organisationen dem Kundenwunsch folgen und der wirtschaftliche Erfolg kommt dann von alleine. Aber was ist der Kundenwunsch? Wie kann man herausfinden, welche Eigenschaften Kundennutzen stiften? Um diesen und anderen Fragen wirklich auf den Grund zu gehen, wählten die Wissenschaftler eine explorative Studie als Design. Dabei, so Georgi, geht es nicht um das Bestätigen von Thesen, sondern Grundlagenarbeit. Zurück auf Anfang sozusagen.

Banken denken immer noch in Produkten

Etwas überraschend ist, dass die Studie mit dem Titel „Kundennutzen von Bankprodukten“ überschrieben ist. Georgi hätte wohl lieber von Dienstleistungen als Produkten gesprochen. Aber: Die Banken denken noch in Produkten. Der Titel war insofern ein Kompromiss. Bei Dienstleistungen sind Kunden schon definitorisch Teil des Prozesses und der Lösungsfindung. Vor allem um diesen „neuen“ Teil geht es in der Studie.

Sechs Nutzendimensionen

Die Wissenschaftler werteten 210 qualitative Interviews und drei Diskussionen mit Fokusgruppen aus. Ergänzend wurde umfangreiches Sekundärmaterial analysiert. Heraus kamen auch latente Bedürfnisse der Kunden, die diesen gar nicht bewusst sein müssen.

Die letztlich herausgefilterten sechs Nutzendimensionen gelten nicht nur für Anlageprodukte, sondern sind als allgemeiner Rahmen für sämtliche Finanzangebote wie Spar-, Vorsorge- und Zahlungsverkehrsprodukte geeignet. So stellt der Verzicht der Banken auf Kontoführungsgebühren für Girokonten bereits einen finanziellen Erfolg für den Kunden dar. Neben dem finanziellen Erfolg, bei Anlageprodukten Rendite genannt, sind Sicherheit und Liquidität schon jetzt im Kundengespräch hervorgehobene Eigenschaften der Produktebene. Bekannt sind diese Eigenschaften als magisches Dreieck der Geldanlage. Die Studie belegt jedoch, dass Kunden daneben noch andere Aspekte genauso berücksichtigt wissen wollen: die Prozessebene. Letztlich identifizierten die Studienmacher drei weitere wichtige Eigenschaften: Transparenz, Einfachheit (Convenience) und Individualität. Hierbei kommt es auch auf den emotionalen Nutzen an, der in der Vergangenheit oft vergessen wurde.

„Es geht um Entscheidungssicherheit“

Nutzen für die Kunden kann durch das Wecken latenter Bedürfnisse geschaffen werden. Zu dem Angebot geeigneter Produkte gehört laut Studie immer die Kommunikation und das Mitnehmen des Kunden – der Prozess. Kunden ist es eben wichtig, sicher zu sein, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, merkt Professor Georgi an.

Die Fülle an Informationen kann beispielsweise im Konflikt zur ebenfalls wichtigen Dimension der Einfachheit und Verständlichkeit (Convenience) stehen. Der Kunde fühlt sich mit zu vielen Informationen möglicherweise überfordert und ihm ist in seinem eigenen Interesse durch immer neue Informationen nicht geholfen. Auch wird der Informationsbedarf von Kunden individuell höchst unterschiedlich empfunden: Der eine will möglichst sämtliche Informationen und ein anderer benötigt nur eine Zusammenfassung.

Skeptisch zeigten sich die Studienautoren daher bei der Bewertung des Produktinformationsblattes, das Transparenz für den Kunden schaffen soll. Bei dieser Dimension geht es nach Einschätzung der Wissenschaftler in erster Linie darum, Anlegern „Entscheidungssicherheit“ zu vermitteln. Und das gelingt mit einer Liste von Informationen, die das Produktinformationsblatt bietet, nicht automatisch bei jedem.

Die Studie schafft die Grundlage für besseren Verbraucherschutz. Professor Georgi führt aus: »Bisher standen in der Diskussion um Kundennutzen immer Einzelaspekte isoliert im Fokus. Jetzt liegt ein Bezugsrahmen vor, anhand dessen sich die Verantwortlichen dem Thema ganzheitlich widmen können.«

Kommunikation

Transparenz wird nicht nur durch Produkteigenschaften hergestellt, sondern kann durch die Beratung selbst geschaffen werden. Dabei entsteht im besten Fall im Gespräch das Vertrauen in den Berater und die Sicherheit, das Richtige getan zu haben. Professor Georgi erläutert diesen Zusammenhang anhand des Tagesgeldes, dessen Rendite erst am Ende der Laufzeit fest steht. Bis dahin muss der Anleger zufrieden mit seiner Entscheidung sein, denn wer will schon jeden Tag nach seiner Geldanlage schauen.

In der Studie beziehen die Autoren zudem klar Stellung und sparen nicht mit Kritik im Detail: Bei der Darstellung von Anlagerisiken im Kundengespräch beispielsweise kommt es auf das „Wie“ an, wie frühere Studien zeigen. Banken müssen sich dann fragen lassen, ob alle angebotenen Darstellungen im Kundeninteresse sind oder eher Zielen der Bank, beispielsweise dem Verkauf, dienen.

Kundennutzenorientierte Bank

Die Studienergebnisse sollen Banken bei der Ausgestaltung ihres Privatkundengeschäfts unterstützen. Professor Georgi erläutert: »Verstehen die Banken, womit und wodurch sie für ihre Kunden einen Nutzen schaffen, können sie ihre Prozesse, Produkte sowie die Beratung gezielt daraufhin ausrichten.«

Dazu schlagen Georgi und Team ein vierphasiges Kundennutzenmanagement vor. Dieses sollte in der Analysephase an den individuellen Bedingungen des Kreditinstituts orientiert sein und systematisch den vorhandenen Kundennutzen ermitteln. Dieser ist mit der bankinternen Sicht abzugleichen und sollte im Bedarfsfalle Veränderungen im Sinne der Kunden bringen.

Den wichtigsten Ansatzpunkt sehen die Studienautoren bei den Anreizsystemen der Bank. „Herkömmliche produktorientierte Vertriebsziele können niemals in Einklang mit einer ernsthaften Kundennutzenstrategie stehen“ urteilen die Wissenschaftler. Als bizarres Beispiel dient den Autoren die reichlich misslungene Empfehlung einer Bank, die einer 91-jährigen Rentnerin einen geschlossenen Fonds mit Auszahlung im Jahr 2027 empfohlen hatte.

Die Wissenschaftler fordern eine grundsätzliche Neuausrichtung. Aber: Solange Produkte unterschiedlich profitabel sind und der Vertrieb das weiß und entsprechend gesteuert wird, zieht der Kunde den Kürzeren. Professor Georgi widerspricht dennoch der Auffassung, dass nur Honorarberatung kundengerecht und im Kundensinne erfolgt. Eine richtig implementierte, langfristig orientierte Provisionsberatung kann das auch.

Entscheidend ist für Georgi die Bereitschaft der Bank, den Kundennutzen ernsthaft ins Zentrum der eigenen Bemühungen zu rücken.

Wissenschaftssponsoring

Der Lehrstuhl von Professor Dominik Georgi trägt den Namen der Deutschen Bank und insofern ist die Frage berechtigt, ob der Wissenschaftler frei arbeiten kann. Mit dem Hinweis auf einen möglichen Interessenkonflikt geht Georgi souverän um: Die Deutsche Bank mache ihm keinerlei Vorgaben und habe bei der Studie vor allem bei der Organisation der Fokusgruppen geholfen. In seiner Forschung geht es Professor Georgi ohnehin weniger um die Bewertung und Ratschläge für einzelne Banken, sondern mehr um das Verstehen der Kundenwahrnehmung und des Kundenverhaltens – ganz im Sinne des Marketinggedankens.

Das Gespräch führte Thorsten Cmiel.

Die Studie „Kundennutzen von Bankprodukten“ und weitere Informationen erhalten Interessenten hier.

 

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Dominik Georgi - Institutsfoto

Prof. Dr. Dominik Georgi, geboren 1971, hält seit September 2007 die Deutsche Bank Professur für Retail Banking und Dienstleistungs-Management an der Frankfurt School of Finance & Management. Georgi lehrt und forscht in den Bereichen Retail Banking, Dienstleistungsmarketing und -management, Relationship Marketing / CRM und Qualitäts-Management für Dienstleistungen. Georgi wurde mit mehreren Forschungspreisen ausgezeichnet und ist Autor von deutschsprachigen und englischen Fachbüchern sowie Artikeln in wissenschaftlichen Zeitschriften.

Information der Frankfurt School of Finance & Management.

Artikelbild: Institutsfoto.

 

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.