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Anlegersicht auf die Wahlen in Europa

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7. Mai 2012

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Anlegersicht auf die Wahlen in Europa

Der neue Präsident in Frankreich ist ein Sozialist. Franςois Hollande ist das notwendige Gegengewicht zu Angela Merkel. Anleger sollten ihn und seine Politik mittelfristig nicht fürchten. Langfristig könnte das anders sein.

Nicolas Sarkozy wurde bei der Wahl zum Präsidenten aus dem Elysee-Palast verbannt und kann sich in Zukunft mehr um Frau und Kind kümmern. Der neue starke Mann in Frankreich heißt Franςois Hollande. Er erzielte 51,62 Prozent der abgegebenen Stimmen bei der Stichwahl. Wer ihn auf das Kürzel Sozialist reduziert, der täuscht sich.

Hollande ist der neue Hoffnungsträger in Europa. Das macht ihn stark fallsüchtig, da er hohe Erwartungen geweckt hat – der Obama-Effekt. Langfristig wird er Frankreich wettbewerbsfähiger und fit für die Zukunft machen müssen. Die Hoffnung ist dabei, dass er anders als sein Vorgänger keine Retortenprogramme von oben umsetzt und mit Angela Merkel „durchregieren“ will. Gleichwohl wird Hollande seine Mitbürger auf eine längere Lebensarbeitszeit und harte Einschnitte vorbereiten müssen.

Kurzfristig – sieht man einmal von den ersten Reaktionen an den Börsen ab – dürfte Hollande dem Wachstum der europäischen Wirtschaft auf die Beine helfen. Die Merkozy-Politik des Sparens hatte die Krise in Europa noch verstärkt. Mit dem neuen Hoffnungsträger ist die Politik des Strangulierens der Volkswirtschaften in Europa zuende. Und das ist gut so.

Was Hollande will

Hollande will den EU-Fiskalpakt neu verhandeln und um Wachstumskomponenten ergänzen. Zudem will er mit Eurobonds Großprojekte finanzieren. Das ist zumindest eine Hoffnungsschimmer in Europa, das zuletzt kein Wachstum mehr vorwesein konnte.

Der Steuersatz soll auf 45 Prozent angehoben werden und Einkommensmillionäre sollen mit 75 Prozent zur Kasse gebeten werden und die hohe Jugendarbeitslosigkeit will Hollande mit subventionierten Jobs bekämpfen. Der Mindestlohn soll künftig an das Wirtschaftswachstum statt an die Inflation gekoppelt werden. Auch hier lassen sich Szenarien entwickeln, die Probleme bereiten könnten. Was passiert im Fall einer stark steigenden Inflationsrate?

Die andere Forderung Hollandes, die Europäische Zentralbank zur Staatsfinanzierung einzusetzen, dürfte scheitern. Hoffentlich, denn sonst fliegt uns das System bald komplett um die Ohren und keiner vertraut mehr in den Euro.

Eine andere Langfristbombe: Wer 41 Beitragsjahre vorweisen kann, der soll auch künftig mit 60 Jahren in die Rente gehen können. Hier liegt die langfristig größte Gefahr des an dieser Stelle polulistischen neuen Präsidenten. Auch die Franzosen müssen ihre Regelarbeitszeit in Richtung 65 Jahren entwickeln.

Griechenland

Auch in Griechenland gab es einen Linksrutsch und eine Radikalisierung, aber hier sind die Verhältnisse völlig unübersichtlich und die Regierungsbildung ist schwierig. Die bisherigen Regierenden müssen um ihre Macht fürchten. Dort hatten sich die Politiker dem Diktat des Sparens bislang gebeugt und wurden wegen des anhaltenden Misserfolges jetzt abgestraft. Die konservative Nea Dimokratia (ND) und die sozialistische Pasok-Partei kommen zusammen auf 149 von insgesamt 300 Abgeordneten. Die anderen Parteien wurden genau für den Gegenentwurf gewählt.

Auf der anderen Seite ist Griechenland trotz der Rating-Hochstufung zuletzt längst nicht kapitalmarktfähig. Demnach hängt das Land weiter am Tropf der EU und die dürften bald den Geldhahn abdrehen. Ein Euroaustritt und Bankrott des Landes wird damit immer wahrscheinlicher. Danach können die Europäer dem Land helfen. Auch bei dieser Entwicklung handelt es sich langfristig um eine gute Nachricht, denn damit erhöht sich nach einer Phase des Chaos in Griechenland demnächst die Chance auf eine Neuaufstellung des Landes im Tourismus.  Ohne Euro und mit Drachme.

Die Investorensicht

Die Wahlsiege der Linken in Griechenland und Frankreich sollten Anleger aus unterschiedlichen Gründen begrüssen: Hollandes Programnme könnten dem Wachstum helfen. Langfristig wird auch Hollande den Franzosen mehr abverlangen müssen: In Deutschland sind die Lohnstückkosten in den letzten zehn Jahren um sieben Prozent gestriegen; in Frankreich um 28 Prozent. In Deutschland steigen die Löhne, was die Franzosen erfreuen sollte. Diese Entwicklung zeigt auch, dass einseitige Programme anderswo die Probleme erschweren können. Etwas mehr europäischer Zentralismus und Koordination; etwas mehr Frankreich und weniger Deutschland hilft aus der Krise.

Die Situation in Griechenland ist völlig anders zu bewerten. Dort entscheidet sich die Zukunft auf den nächsten Gipfeltreffen- Anleger sollten bis dahin keinesfalls Wertpapiere der Unternehmen dort erwerben oder Staatsanleihen kaufen. Denn die Griechen haben erst kürzlich 100 Milliarden ihrer Schulden gestrichen.

Anders zu Investments in Griechenland: Jorgo Chatzimarkakis.

 

Artikelbild: Sceenshot Homepage von Francois Hollande.

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.