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ifo wehrt sich gegen Schäubles Milchmädchen-Vergleich

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29. Juli 2012

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ifo wehrt sich gegen Schäubles Milchmädchen-Vergleich

Das Münchner ifo-Institut ist auf Krawall gebürstet. An einem Sonntag schickten die Konjunkturforscher eine Mail an die Presse. Ungewöhnlich.

Finanzminister Schäuble bezeichnete die Rechnungen der Wirtschaftsforscher als „Milchmädchenrechnungen“ und sorgte für schlechte Stimmung. Für ein renommiertes Wirtschaftsinstitut ist das natürlich eine Beleidigung. Wirtschaftsinstute hätten eine Verantwortung wahrzunehmen. Was Schäuble damit meint, ist das Unterstützen der Politiker bei jeder Krisenlösung. Eine gefährlich Aussenseitermeinung, egal was man über die Rolle des ifo-Instituts und Professor Sinn denkt.

Genau sagte Schäuble der Welt am Sonntag:

Ich finde, Milchmädchen dürfen Milchmädchenrechnungen vorlegen.

Mit der Autorität von akademischen Titeln und von wissenschaftlichen Instituten, die mit viel Geld vom deutschen Steuerzahler subventioniert werden, ist eine besondere Verantwortung verbunden.

Zwei Streithähne

Schäuble und Sinn reden momentan viel über Krisenszenarien und Verluste bei einer Pleite des Landes. Der eine will die aktuelle Krisenpolitik beendet wissen und der andere will den Bürger verkaufen, dass man die Sache im Griff habe. Beides ist legitim. Aber nur eine dürfte richtig liegen.

Inzwischen geht es um Worte und kleines Karo. Schäuble war es wichtig, dass die Verluste nicht direkt haushaltswirksam werden. Das ifo-Institut hatte die Kosten für Deutschland aufgelistet und war zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Pleite weniger als eine Fortsetzung der Krisenpolitik ist. Das ifo-Institut kommentierte die Äußerungen so:

Die Replik

„Der Dissens zu den Rechnungen des BMF betrifft die möglichen Verluste der Bundesbank, die vom ifo Institut in seiner Berechnung miterfasst werden und den größten Teil der deutschen Gesamtverluste ausmachen. Dabei handelt es sich im Falle einer Zahlungsunfähigkeit und eines Austritts von Griechenland aus der Eurozone um mögliche

– Verluste beim deutschen Anteil an den vom EZB-System gekauften griechischen Staatspapieren (12,4 Mrd. Euro),

– Verluste beim deutschen Anteil an den Target-Verbindlichkeiten der griechischen Notenbank aus der Gewährung von Buch-Krediten an das griechische Bankensystem (27,0 Mrd. Euro), die über die eigene Liquiditätsversorgung Griechenlands hinausgehen, und

– Verluste beim deutschen Anteil an den Verbindlichkeiten der griechischen Notenbank aus einem überproportionalen Verleih von Euro-Banknoten (4,8 Mrd. Euro).

All diese Verluste fallen bei der Bundesbank an. Sie sind in der Tat nicht unmittelbar haushaltswirksam, weil die Bundesbank über verschiedene Möglichkeiten verfügt, die Konsequenzen des Griechenland-Konkurses für den Bundeshaushalt über die Zeit zu strecken. Sie sind aber insofern real, als sie eine Verminderung der Gewinnausschüttung der Bundesbank an den Bundesetat, möglicherweise sogar eine Rekapitalisierung der Bundesbank mit Steuermitteln erzwingen werden.

Das ifo Institut appelliert an die Bundesregierung, die möglichen deutschen Vermögensverluste aus den Target-Krediten der deutschen Bundesbank gegenüber der deutschen Öffentlichkeit nicht länger unter den Tisch zu kehren. Diese Kredite stellen den bei weitem größten Risikoposten bei der sogenannten Euro-Rettung dar, aber sie werden nicht durch die Parlamente Europas kontrolliert, sondern entstehen aufgrund einer unzureichenden Besicherung der Refinanzierungskredite an die Banken, die der EZB-Rat erlaubt hat. Bundesbankpräsident Weidmann hatte im Februar in einem Brief an den EZB-Präsidenten Draghi seine Sorge bezüglich der mit den Target-Krediten verbundenen Risiken zum Ausdruck gebracht. Das ifo Institut teilt diese berechtigte Sorge. Die Target-Kredite stiegen zuletzt immer noch progressiv und machten mit etwa 730 Milliarden Euro drei Viertel des Nettoauslandsvermögens der Deutschen aus. Dahinter steht ein entsprechender Teil der Ersparnisse der deutschen Bürger, die vom Bankensystem über die Bundesbank als öffentlich besicherter Kredit an die Zentralbanken des Eurogebietes geflossen sind.


Als von Bund und Ländern geförderte Forschungseinrichtung hat das ifo Institut die Aufgabe und Verantwortung, Politik und Öffentlichkeit ungeschönt über die wahren Risiken einer potenziellen Zahlungsfähigkeit Griechenlands zu informieren.
Der Präsident des ifo Instituts hat einen persönlichen Brief an den Bundesfinanzminister geschrieben, in dem er die Bereitschaft des ifo Instituts bekundet, sich mit ihm zu einem Gespräch über die ökonomische und haushaltsmäßige Bedeutung der Target-Kredite und Strategien zur Begrenzung der damit zusammenhängenden Risiken zu treffen.“

Weg ist weg

Richtig ist in jedem Fall: Es wird teuer. Die ökonomische Frage lautet übrigens immer noch, welche Krisenpolitik auf Dauer die höheren Kosten verursacht. Sofern man davon ausgeht, dass beide Varianten das Problem irgendwann lösen.

Volkswirtschaftlich ist es bei reiner Kostenbetrachtung egal, wer auf den Kosten einer Alternative sitzen bleibt. weg ist weg.

Artikelbild: ifo-Institut München. Pressefoto.
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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.