Friday, Nov. 22, 2024

Liebe Griechen – Ihr müsst nochmal wählen!

Liebe Griechen – Ihr müsst nochmal wählen!

Ich bin Grieche aus Solidarität. Nur nächsten Freitag ist im Viertelfinale damit kurzzeitig Pause. Die Griechen haben im Juni 2012 immer noch nicht die richtige Partei gewählt. Also bitte versucht einen weiteren Urnengang.

Natürlich ist mir bewußt, dass man in einer Demokratie nicht so lange wählen kann, bis die richtige Partei gewählt wurde. Das ist undemokratisch, aber genau das passierte bei der Wahl im Juni bereits. Die Parteien konnten sich auf keine Regierung einigen. Nea Dimokratia und PASOK sind die Täterparteien in Griechenland (das aktuelle Wahlergebnis als Karte). Sie haben keine erneute Regierungsverantwortung verdient. Denn alte Seilschaften verhindern die dringend notwendige, radikale Erneuerung des griechischen Staates.

Das griechische Bruttoinlandsprodukt wurde von den EU-Sparvorgaben zusätzlich geschrumpft: 2010 ging die Wirtschaftsleistung um 3,5 Prozent, 2011 um 6,9 Prozent zurück. Dieses Jahr sollen weitere 4,7 Prozent hinzukommen. Der Staatshaushalt ist chronisch defizitär – ohne Hoffnung. Im Jahr 2011 lag das Minus bei 9,2 Milliarden Euro bei Gesamtausgaben von 50,1 Milliarden Euro. Griechenland spart sich nach Kochbuch der Troika weiter in die Krise hinein. Die jetzt angedachten Erleichterungen im Zeitplan werden keine wirkliche Linderung bringen. Sie sind ein verdächtiges Geschenk der Danaer. Nicht mehr.

Natürlich kann das Land nicht Beides haben: Euro behalten und Sparen. Das führt dauerhaft zu einer Zerreissprobe im Land und neben Armut entsteht wirklicher Radikalismus. Griechenland muss zunächst den Staatsbankrott erklären, dann aus dem Euro ausscheiden und danach schnellstmöglich inländische Vermögen im Ausland besteuern oder raktivieren, um dem Land eine Perspektive zu bieten. Das mag sich linksradikal anhören, ist aber der einzig gangbare Weg, der auch demokratisch funktioniert.

Gegen den EURO und für die Drachme stimmen

Der Euro ist die falsche Währung für das Land und ein weiterer Sparkurs hilft der Bevölkerung nicht weiter. Natürlich ist die Aufgabe des Euro als Währung ein tiefer Einschnitt in das Gefüge im Land. Aber statt die Löhne und Gehälter immer weiter zu senken, ist es für die Griechen besser, sich mit einer neuen Drachme neu aufzustellen und abzuwerten. Das ist nicht unbedingt im Sinne der EU-Partner, die lieber Geld von der EZB aktivieren als politische Probleme endlich zu lösen. Insofern ist Griechenland symptomatisch für eine gescheiterte Gemeinschaftspolitik in Europa. Da können Politiker in Brüssel und Berlin erzählen was sie wollen.

Alte Drachme: Classical Numismatic Group Wikimedia

Momentan wollen alle griechischen Parteien (noch) im Euro bleiben. Das ist den Umfragen geschuldet, die in der Bevölkerung gemacht wurden. Dauerhaft wird dieses Anregieren gegen ökonomische Prozesse nicht funktionieren. Die Griechen sind um einen Währungsfaktor von mindestens 50 Prozent nicht wettbewerbsfähig. Die Alternative besteht darin, dass die anderen Länder wie Deutschland sehr hohe Lohnzuwächse und Inflation zulassen und selbst dann ist Griechenland keine wirtschaftliche Alternative zur Türkei als Reiseland. Zumindest solange die Türken vernünftigerweise bei ihrer Lira bleiben. In diesem Jahr ist der Tourismus aus Deutschland um 30 Prozent eingebrochen. Das war noch weiter krisenverschärfend.

Der Unfug von der Wiege der Demokratie

Irgendjemand im politischen Berlin behauptet  immer wieder, dass Griechenland die Wiege der Demokratie sei und daher gehöre das Land in den Euro. Dieses Argument ist historisch fragwürdig und eine Frechheit Schweden, Dänen und allen anderen EU-Staaten gegenüber, die keinen Euro als Währung nutzen.

Die Demokratie früher griechischer Prägung war – wie heute – eine Veranstaltung von Bürgern, die ihre Privilegien schützen wollten. Sklaven, Frauen und Nicht-Bürger hatten keinen politischen Einfluss. Von einer Herrschaft des Volkes war man damals noch weit entfernt. In Athen prägten manche Demagogen die Diskussionen und beeinflussten Entscheidungen. Aristoteles und Platon beispielsweise hatten völlig andere Vorstellungen von Demokratie und können nur sehr großzügig gedacht als Vordenker der Demokratie moderner Prägung herhalten.

Aber der Haupteinwand gegen dieses Argument für die Griechen im Euro ist ganz einfach: Die Politiker verwenden die Phrase völlig inhaltsleer, ohne tieferen Sinn. Es ist ein typisches politisches Zweckargument von Politikern, denen faktische Argumente für den Verbleib der Griechen im Euro fehlen.

Die Reaktion der „Märkte“

Am Montag blieb der gefürchtete Weltuntergang aus. Die „linksradikale“ Syriza ist nicht stärkste Partei im Lande. Die Aktienmarktteilnehmer reagierten zunächst positiv und der Euro legte auf über 1,27 US-Dollar zu. Kurze Zeit später begriffen die Marktteilnehmer, dass durch die Wahl in Griechenland nur das Leiden fortgesetzt wird. Da helfen auch Tricks von Redakteuren nicht weiter, welche die eine Partei als radikal und die anderen Parteien (PASOK, ND) als gemäßigte Sparbeführworter darstellen. Das sind im Kern nur Verdummungskampagnen. Griechenland benötigt einen Neuanfang. Jetzt.

An die Griechen

Liebe Griechen. Euer Job ist es, Eure Probleme zu lösen. Ihr solltet nicht im Euro bleiben, weil Euch falsche Freunde in Europa das suggerieren. Begebt Euch auf den Weg raus aus dem Euro – nicht aus der EU – und baut nach Eurer Bankrotterklärung einen funktionstüchtigen Staat ohne Korruption auf. Dann seid Ihr auch wieder attraktiv für Investitionen. Und die Touristen kommen auch gerne zu Euch.

Natürlich müsst Ihr ein Staatsgebilde ohne Defizit schaffen, da ihr durch politische Fehler der Vergangenheit auf Jahrzehnte hinaus keine Mittel am Kapitalmarkt mehr bekommt. Dazu ist das inzwischen zerstörte Vertrauen wieder notwendig. Das muss nicht schlimm sein, denn Schuldenmacher haben keinen Vorteil.

Die anderen Länder müssen ihre Probleme selbst lösen und haben Euch bereits mit der dann „kompletten“ Entschuldung genug unterstützt. Die EU-Mittel stehen Euch weiter zur Verfügung. Im Euroraum müssen ohne Euch neue Finanzierungsformen entwickelt werden. Dann kann die Bundesregierung zeigen, ob sie aus den Fehler der jüngeren Vergangenheit gelernt hat. Ansonsten droht den Spaniern das griechische Schicksal. Aber das ist nicht mehr Euer Ouzo.

Weitere Informationen:

Kommentar von Tacheles. Warum Investoren Syriza wählen würden.

Weitere Texte zur Krise in Griechenland.

Das Blog von Michalis Pantelouris. Einem Griechen in Hamburg.

 

Artikelbild: Screenshot aus dem Film DEBTOCRACY.

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.