Unschuldsvermutung gilt „sogar“ für Banker
Ein Anleger beschuldigt die Stadtsparkasse KölnBonn, ihn über Risiken bei einem Derivategeschäft nicht ausreichend aufgeklärt zu haben. Der Mann hatte Immobilien für 6,5 Millionen Euro mit einem Kreditswap-Geschäft in Schweizer Franken unterlegt und gezockt. Die Wette ging schief.
Die Stadtsparkasse KölnBonn ging Ende April einen eher ungewöhnlichen Schritt. Sie nennt in einer Pressemeldung den vollen Namen eines ihrer Kunden und beschreibt sehr ausführlich ein Geschäft mit ihm. Zunächst das Geschäft aus Sicht der Sparkasse und ihrer Juristen:
»Herr Bircan beschloss auf eigenen Wunsch, ab 2006 verschiedene Immobilien, größtenteils im Kölner Raum, zu erwerben und wickelte die Finanzierung über die Sparkasse KölnBonn ab. In diesem Zusammenhang wünschte er persönlich eine Objektfinanzierung in Schweizer Franken (CHF), die mit einem Zinssicherungsgeschäft unterlegt werden sollte. Diese Form der Objektfinanzierung bedarf aufgrund ihrer Ausrichtung eine umfassende Beratung durch mehrere Experten der Sparkasse, die wir auf Wunsch des Kunden anbieten und auch in diesem Fall durchgeführt haben. Die Beratung wurde protokolliert und zeigt, dass auch auf mögliche Risiken hingewiesen worden ist. Im Privatkundengeschäft handelt es sich hierbei um kein alltägliches Produkt. Der Kunde schloss in den Jahren 2007 und 2008 insgesamt elf verschiedene Zins- und Zinswährungsswaps mit der Sparkasse KölnBonn ab. Durch Einsatz von Euro-Zinsswaps und Zinswährungsswaps beabsichtigte Herr Bircan, sich gemäß seiner eigenen Einschätzung zins- und währungsmäßig zu positionieren. Damit sicherte er seine Immobilienobjekte in einer Höhe von rund 6,5 Mio Euro ab. Diesen Abschlüssen vorausgegangen waren auf Kundenwunsch zwei Kundengespräche im Juli 2006 und im Januar 2007. Im Rahmen dieser Gespräche wurden dem Kunden ausführliche Präsentationen zu der Thematik „Zins- und Zinswährungsswaps“ gezeigt und übergeben. Im Zuge der Präsentationen fanden ausführliche mündliche Erörterungen und Risikoaufklärungen statt…«
Der Kunde versucht seit längerer Zeit, das Institut und hilfsweise den Vorstand der Bank haftbar zu machen. Der Hintergrund könnte mit Fragen der Verjährung zusammenhängen, wie die Sparkasse vermutet. Der Kunde und sein Anwalt trommeln jedenfalls auch medial, um die Sparkasse zu einer (teilweisen) Schadensübernahme zu bringen.
Was die Financial Times schreibt
„Erstmals haben Strafverfolger eine Akte über eine Sparkasse angelegt, die Kunden zu Zockern wider Willen gemacht haben soll. Sie soll ihnen riskante Swap-Geschäfte angedreht haben“, so lautet der Einleitungstext vom Wirtschaftsjournalisten Daniel Schönwitz in der Financial Times. Schönwitz schlägt sich in seinem Text auf die Seite des vermeintlichen Opfers: „Inzwischen steht der Mann vor einem Scherbenhaufen – und zwei Mitarbeiter der Sparkasse Köln/Bonn, bei der er sich beraten ließ, müssen sich womöglich bald wegen Betrugs vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Köln hat gegen sie offiziell ein Ermittlungsverfahren eingeleitet (Az.: 115 Js 20/12). Die umstrittenen Zinswettgeschäfte, für die einige Banken schon längst zivilrechtlich bluten mussten, sind damit erstmals ein Fall für den Staatsanwalt. „Wir sehen einen hinreichenden Anfangsverdacht gegen einzelne Mitarbeiter der Sparkasse Köln/Bonn“, bestätigte Staatsanwältin Carolin Breloer.“
In der Tat sind staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in dem von der Sparkasse so einfach beschriebenen Geschäft erstaunlich. Aber es sind zurzeit nur Ermittlungen. In dem Schönwitz-Text wird zudem unzulässig der Zusammenhang mit anderen Urteilen bei Zinswetten hergestellt. Auch der spätere Hinweis, dass Institute sich am Kapitalmarkt absichern, ist nichts Außergewöhnliches, sondern sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
Jedenfalls entsteht durch die Wortwahl in der Nachricht im „Recht + Steuern-Teil“ der FTD der Eindruck, der Anleger sei ein schuldloses Opfer von betrügenden Bankern. Richtig ist: Auch für Banker gilt die Unschuldsvermutung und das sollte sich bei aller, manchmal berechtigter Kritik an der Zunft auch in Berichten wiederfinden.
Natürlich dürfen Banker und Kunden auch riskante – man könnte auch schreiben: saudumme – Geschäfte abschliessen. Zinsswaps sind in dem Fall nichts anderes als verdeckte Devisenspekulationen mit Puffer (hier: der Zinsvorteil). Der Zinssatz in der Schweiz liegt und lag ungefähr ein Prozent unter dem in Deutschland. Wie wir heute wissen, kam es in der Folge zu einer Schwäche des Euro gegenüber dem Franken – nicht einer Abwertung, wie die Juristen der Stadtsparkasse KölnBonn schreiben – und die Vorteilhaftigkeit des Zinsgeschäftes drehte sich in das Gegenteil. Spätestens hier musste der Kunde ein möglichst vorher geplantes Eingriffsszenario in Gang setzen und seine Risikoposition schließen. Er hat es nicht getan.
Die „Strategie“ des Anlegers war der sprichwörtliche Griff in das fallende Messer. Kenner sprechen hier von einem Martingale-Spiel. Von einem Umtauschkurs von fast 1,70 Franken je Euro ging es fast runter bis zur Parität. Und statt zu stoppen, legte der Anleger immer weiter nach – zumindest wenn man der Beschreibung durch die Stadtsparkasse glaubt. Erst im Jahr 2011 schwächte die Schweizerische Nationalbank (SNB) die eigene Währung (1,20 Franken). Der Anleger muss Währungsverluste in Höhe von vermutlich 30 Prozent kompensieren.
Zinsdifferenzen fördern bei einer teuren Immobilienfinanzierung schon mal die eigene Gier, denn in zehn Jahren kommen bei einer Zinsdifferenz von einem Prozent mehr als eine halbe Million Euro zusammen. Es ist für einen Außenstehenden also nicht völlig abwegig, dass die Darstellung der Sparkasse den Sachverhalt im Kern richtig schildert und der Kunde nur viel „Wind“ macht. Aber das ist nicht mein Thema hier und das wird im Zweifel irgendwann gerichtlich aufgearbeitet.
Schuld ist immer die Bank
Ähnliche Beschuldigungen wie im beschriebenen Fall beklagen Banker auch von manchen Zertifikate-Geschädigten. Natürlich gab es auch Lehman-Omas, genau wie es 90-Jährige gibt, denen Kapitallebensversicherungen mit 20 Jahren Restlaufzeit verkauft werden. Und das ist verwerflich und eine offensichtliche Fehlberatung. Aber seit der Finanzkrise versuchen sich auch viele Anleger als Trittbrettfahrer und werden dabei von Anwälten, die sich dadurch höhere Umsätze erhoffen, unterstützt. Auch das gehört zum Thema ehrlicherweise dazu.
[box title=“Swaps“ color=“#D67E29″]In Ungarn sind inzwischen 80 Prozent der Gemeinden zahlungsunfähig, da sie ähnliche Swapgeschäfte wie der Kunde der Sparkasse abgeschlossen hatten. Natürlich ist immer die Bank schuld an der späteren Misere. Man könnte aber auch auf die Idee kommen, die Gemeindevertreter als überfordert und gierig zu bezeichnen. Ähnlich funktionieren übrigens Carry-Trades, die von japanischen Hausfrauen gerne gespielt wurden. Da man im eigenen Land nur niedrige Zinsen bekam, machte es scheinbar Sinn, amerikanische Staatsanleihen auf pump zu kaufen und die Zinsdifferenz als Gewinn einzustreichen. Als der US-Dollar in Turbulenzen geriet, drehte das Geschäft in eine Verlust[/box]
Egal wie der Fall des Instituts ausgeht. Anleger sind in jedem Fall gut beraten, sich ausführlich zu informieren. Wer meint, Zinsderivate für was auch immer einzusetzen, der sollte sich ein Stoppschild setzen, ab dem Risikopositionen aufgelöst werden. Im Jahr 1994 verzockte sich die kalifornische Gemeinde Orange County mit Derivate-Spekulationen und verlor rund zwei Milliarden Dollar. Natürlich war der Kämmerer Robert Citron überzeugt, er sei von der Bank betrogen worden.
Artikelbild: Roulette-Kessel. EUR/CHF-Chart: Dukascopy.