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Italien braucht Veränderungen

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8. Mai 2012

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Italien braucht Veränderungen

Ökonomisch ist die aktuelle Schwäche von Italien leicht beschrieben: Zu unmodern, zu verkrustet und zu teuer. Italien muss sich neu erfinden und noch mehr tun als Mario Monti bereits verordnet hat. Der eingeschlagene Weg ist richtig.

La dolce vita ist das süße Leben. Und in der Tat: Italien bietet guten Wein, hervorragendes Essen, Kultur und die Bevölkerung ist stolz auf seine Regionen. Leider hat das Land jedoch politische Verführer, wie Silvio Berlusconi, zu lange an der Macht gelassen, die es nicht gut mit Italien meinten. Wer einmal längere Zeit in Italien lebte, der kennt den katastrophalen Zustand der Züge von Trenitalia, der staatlichen Bahngesellschaft. 2009 hatte zudem die italienische Fluggesellschaft Alitalia nach vielen Jahren mit Millionenverlusten die Pleite zugeben müssen. Beide Gesellschaften sind symptomatisch für das Land. Unter Berlusconi wurden den Italienern manche Großprojekte versprochen, aber die Infrastruktur wurde vernachlässigt. Überall wo private Investoren agieren, sieht es jedoch anders, besser aus.

Infrastruktur

Eine private Gesellschaft tritt jetzt an, um den Italienern den Spiegel vorzuhalten: Die Gesellschaft Nuovo Trasporto Viaggiatori – kurz ntv – tritt gegen Trenitalia an. Service und Freundlichkeit bestimmen das Bild des Unternehmens. Am 28. April startete der modernste Zug Europas: der Italo. Der Italo ist ein Hochgeschwindigkeitszug, der bis zu 300 Stundenkilometern schnell fahren soll. Das Projekt haben sich einige Privatinvestoren, von denen Fiat-Chef Luca Cordero di Montezemolo der Bekannteste ist, eine Milliarde Euro kosten lassen. Zunächst werden neun italienische Städte verbunden und mit 25 Zügen bedient. Von Mailand im Norden bis Salerno im Süden. Je nach Streckenführung dauert die Strecke Mailand-Rom 3 Stunden und 34 Minuten. Da beim Fliegen längere Checkinzeiten hinzukommen, ist der Italo schon jetzt eine echte Alternative – auch preislich.

Natürlich sind die Mitarbeiter von Trenitalia neidisch und sauer auf den neuen, hübscheren  Konkurrenten mit den sauberen Wagen und dem freundlichen Personal. Die Kunden kommen in den Genuss des Designs moderner Flughäfen und können auf der Fahrt im Internet surfen.

Anderswo in Italien muss man sich oft durch Glasscheiben über Mikrofone verständlich machen und lange Wartezeiten gehören auch dazu. Trotz aller gerne geübter Kritik an der Deutschen Bahn oder der Post AG. In Italien kann man bewundern, was die Folgen von echtem Stillstand sind. Urlauber nehmen das vielleicht gelassen hin und schreiben das dem Charme oder der Nostalgie des Landes zu. Wirtschaftlich stecken an diesen Stellen erhebliche Hindernisse für die Zukunft des Landes.

Service

In Italien kann es vorkommen, dass man im Postamt 20 Minuten für den Kauf einer Briefmarke benötigt, da nicht einmal alle Postämter Automaten aufstellen. Aber es gibt auch Erfreuliches: Während in Deutschland der Sonntag immer noch „heilig“ ist, nutzen ausgerechnet im katholischen Italien, die Unternehmen den Sonntag für die höchsten Umsätze der Woche. Der Italiener geht Sonntags einkaufen und Berufstätigen wird so das Leben erleichtert.

Nachteilig wiederum sind die Schutzmechanismen in der italienischen Wirtschaft zu bewerten: So können es sich italienische Banken offenbar leisten, ihre Kunden zu schröpfen und katastrophale Service-Leistungen anzubieten. Die Kosten für Kapitalmarkttransaktionen von Banken gehören zu den höchsten in Europa. Auch dauern Transaktionen mehrere Tage und die Wertstellung erfolgt natürlich zu Lasten der Kunden erst nach drei bis fünf Tagen.

Hindernisse

Wer in Italien einen Vertrag mit einem Energieversorger abschliessen will, der zahlt zunächst eine Vertragsgebühr von satten 100 Euro, damit der Strom- und Gasanbieter später seine Monopolpreise nehmen darf. Denn natürlich gehören die Energiepreise in Italien zu den Spitzenreitern in Europa. Andere Hürden sind ebenfalls inakzeptabel. So kostet das vorgeschriebene Anpassen eines Staffelmietvertrages zusätzliche Notargebühren. Die meisten Italiener haben sich längst an solche Schikanen gewöhnt.

Man kann es nicht gutheißen, aber Italiener wehren sich auf ihre Art. So kann es in Italien vorkommen, dass ein Restaurantbetreiber seine Gäste fragt, ob man eine Rechnung will oder ob der Preis auch niedriger ausfallen kann. Auch beliebt ist das Verschweigen von Immobilienbesitz. Vor gar nicht langer Zeit kam heraus, dass in Italien etwa eine Million Häuser auf dem Papier nicht existiert. Der Grund ist: Immobilienbesitz wird besteuert und der Erwerb neuer Häuser kostet mindestens zehn Prozent extra. Mit der Folge, dass in Italien vielerorts  – zumindest im Norden – sehr hohe Quadratmeterpreise gefordert werden. Die Krönung setzte Silvio Berlusconi dem Treiben auf, der als Ministerpräsident seinen Landsleuten in einem Interview das Hinterziehen von Steuern empfahl.

Noch im September 2011 erklärte ein „Ökonom“ aus dem Dunstkreis von Berlusconi vor Wirtschaftsführern, dass Italien besser aufgestellt sei als Deutschland. Seither musste Berlusconi stiegen die Refinanzierungskosten für italienische Staatsanleihen bis ins Unerträgliche und Berlusconi musste gehen. Seither beginnen in Italien Wirtschaftsnachrichten bei RAI mit dem Hinweis auf den Spread zum „Bund“, der deutsche Staatsanleihen repräsentiert. Italien zahlt über drei Prozent mehr als Deutschland für gepumptes Geld und muss sich weiter anstrengen. Ohne den Druck vom Kapitalmarkt hätte sich niemand getraut, Berlusconi aus dem Amt zu jagen.

Arbeitskosten

Italien ist nicht mehr wettbewerbsfähig und hat die höchsten Lohnstückkostenzuwächse in zehn Jahren Währungsunion zugelassen. Diese Kostengröße stieg in dem Zeitraum des Euro um ein Drittel. Deutschland kam mit sieben Prozent aus. Hinzu kommen in Italien sehr starke Gewerkschaften, die teilweise absurde Regelungen durchgesetzt haben: So konnten Frauen bei Alitalia drei Jahre in Schwangerschaftsurlaub gehen und wer zuvor kräftig Überstunden geflogen war, der erhielt sein letztes Gehalt inklusive Zulagen in der Kinderzeit jeden Monat bezahlt. Nach drei Jahren musste für eine Verlängerung dann nur ein neues Baby geboren werden. Was die einzelne Mitarbeiterin erfreut, ist für Unternehmen eine Last. Die Pleite von Alitalia jedenfalls war fast zwangsläufig das Ergebnis solcher falscher Weichenstellungen.

Auch können italienische Unternehmen Arbeitnehmer nicht kündigen, was wie ein Vorteil aus Arbeitnehmersicht wirkt, behindert Neueinstellungen von jüngeren Arbeitnehmern. In ökonomischen Kommentaren ist dann zu Recht von einem Mangel an Flexibilität die Rede. Fiat beispielsweise hat erhebliche Probleme wettbewerbsfähig zu bleiben und musste auf Sizilien und in Neapel zwei Werke schließen. Die Proteste richteten sich natürlich gegen die Unternehmensführung. Wichtiger wäre langfristig eine Art Pakt, um Italien wieder auf Vordermann zu bringen.

Die Kostenbelastung ist auch im italienischen Rentensystem sehr hoch. Auch hier müssen ohne Zweifel Einschnitte her. Die meisten Politiker scheuten in den letzten Jahrzehnten Reformen, die jetzt umso schmerzlicher umgesetzt werden müssen.

Vetternwirtschaft

Italien entschied sich bereits im Jahr 1987 gegen Atomstrom. Die Politiker verpassten damals die Chance, regenerative Energien (Solar) zu erforschen. Stattdessen wurde später Muammar al-Ghaddafi von Berlusconi hofiert. Dem Ex-Terroristen wurde das Aufschlagen eines Zeltes mitten in Rom erlaubt. Die Nöte der Energieversorgung waren jedoch nur Ausdruck völlig verfehlter politischer Grundsatzentscheidungen.

Im Juli 2011 verlor Berlusconis Atomkraftinitiative in einer Volksabstimmung. Natürlich war Fukushima ein Grund für die Besorgnis der Bevölkerung, aber es zeigt auch die Ideenlosigkeit in der italienischen Politik, die als Vetternwirtschaft scheinbar gut funktioniert, aber langfristige Weichenstellungen vernachlässigt. In seiner unnachahmlichen Arroganz empfahl Berlusconi seinen Landsleuten nicht gegen seine Atompläne zu stimmen, sondern an den Strand zu gehen. Er scheiterte. Ohnehin gehört es zur Strategie vieler italienischer Politiker, den eigenen Landsleuten das Interesse an Politik zu nehmen.

Erst kürzlich schreckten neuere Statistiken die Wirtschaftsbosse auf: Italien gehört zu den korruptesten Staaten weltweit. Wen wundert es: Im April trat Umberto Bossi, ein Urgestein der italienischen Politik, wegen eines Veruntreuungs- und Korruptionsskandals zurück. Die Lega Nord soll mit Staatsgeldern in Tansania und auf Zypern gezockt haben. Zudem wurden private Bauten von seiner Partei illegal finanziert – so der Vorwurf.

Hoffnung Monti

Mario Monti ist zurzeit die einzige Hoffnung für das Land. Monti hat  in wenigen Monaten mit seiner technischen Regierung mehr Initiativen auf den Weg gebracht als sein Vorgänger in Jahrzehnten. Die Regierung befragte seine Bürger über Verbesserungsvorschläge und wurde mit Tausenden an Vorschlägen überhäuft. Das macht Hoffnung und spricht gegen den Erfolg der Einlullpolitik durch Berlusconi, der immer schon ein Fan der seichten Unterhaltung war.

Filmplakat - Der Pate 1

Monti will Vorbild sein und nimmt in der Krise kein Geld vom Staat. Er verhält sich genau wie der große alte Mann und Präsident der italienischen Republik, der Ex-Kommunist Giorgio Napolitano. Denn natürlich ist Italien auch bei Politikergehältern Europameister. 630 Abgeordnete und 130 Senatoren bilden die zwei Kammern des Parlaments. Dort geht es den Abgeordneten vor allem um eigene Vorteile. Monti wurde von Napolitano eingesetzt und ist zurzeit geduldet von den gewählten Volksvertretern. 2013 läuft die Amtszeit von Napolitano ab und Montis Zukunft hängt wieder an politischen Fäden. Leider.

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, beschreibt zu Recht, Italien sei auf dem „Niveau eines Entwicklungslandes“ anzusiedeln. Aber er irrt und ist zu sehr Theoretiker, wenn er seine Kritik auf Monti richtet: »Ich kann nicht verstehen, warum Monti immer als der große Reformer bezeichnet wird«.

Solange Italien eine Demokratie ist, kann auch ein Regierungschef nicht alle Probleme gleichzeitig lösen, das sollten auch Chefvolkswirte verstehen. Monti bemüht sich nach Kräften und ist selbst bei zunächst skeptischen Beobachtern in Italien inzwischen zu einem Hoffnungsträger des Landes geworden.

Artikelbild: Italo. Unternehmensbilder.

 

 

 

 

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.