Friday, Nov. 22, 2024

Vom italienischen Straßenverkehr lernen

Written By:

|

16. April 2012

|

Posted In:

Vom italienischen Straßenverkehr lernen

Wer mal in Italien Auto gefahren ist, der wird über die wenigen Unfälle dort überrascht sein. Italiener wissen oft nicht, wie man den Blinker setzt. Dennoch gibt es gefühlt in Italien weniger Unfälle in der City als in Deutschland. Deswegen.

Autofahrer in Italien müssen vorsichtig sein, Fußgänger sollten sich nicht auf die Bedeutung von Zebrastreifen verlassen und manche Autos dort würden in Deutschland sofort aus dem Verkehr gezogen. Dennoch passiert – zumindest für die aus unserer Sicht chaotischen Verhältnisse im italienischen Straßenverkehr ziemlich wenig. Natürlich ist der Verkehr in Mailand oder Rom gewöhnungsbedürftig. In zweispurigen Straßen wird mindestens in drei Reihen nebeneinander gefahren und kleine Kratzer kann es immer geben. Aber die italienischen Verhältnissen haben auch ihr Gutes: Der Grund für die vergelichsweise wenigen, schweren Unfälle könnte sein, dass im italienischen Straßenverkehr die Teilnehmer aufmerksamer sind als beispielsweise in Berlin oder Köln. Wer nicht weiß, was ein nicht gesetzter Blinker im Kreisverkehr bedeutet, der rechnet auch mit einem abbiegenden Fahrzeug. Wer einem Autofahrer unterstellt, dass dieser vor dem Zebrastreifen noch mal richtig Gas gibt, der wird vorsichtiger beim Überqueren von Straßen.

Anleger könnten von den Verhältnissen im italienischen Straßenverkehr lernen: Statt sich auf Regeln überforderter Politiker zu verlassen, wäre ein genaueres Hinsehen und mehr Aufmerksamkeit oft der bessere Schutz. Dass viele geschlossene Fondskonzepte (Container, Filme, Schiffe) nicht aufgehen konnten, war den meisten Beobachtern frühzeitig klar. Nur weil der Staat Solarunternehmen will und man sich subjektiv besser fühlt, wenn man ein ethisch und politisch einwandfreies Unternehmen fördert, ist der Missbrauch von Anleger- und Gläubigergeldern, wie jüngst in der Solarbranche, nicht verhindert.

Kaum ein Anleger weiß beispielsweise, dass die deutsche Finanzaufsicht BaFin bis heute Verbraucherschutz nicht als explizite Zielvorgabe zu beachten hat. Die formale Richtigkeit eines Wertpapierprospektes ist auch deshalb kein Qualitätsmerkmal bei der Prüfung. Wer Verkäufern einmal beim Verkaufsgespräch zugehört hat, der wird eine andere Vermutung haben. Es genügt erkennbar auch nicht, Zertifizierungen für Riesterprodukte als Qualitätssiegel zu verstehen. Oft sind die angebotenen Produkte renditeschlechter als ein Fondssparplan ohne Staatsknete. Der Grund sind zu viele und oft falsch motivierte Schutzregeln. Bei Riesterprodukten beispielsweise hatte der Gesetzgeber solange das Wort Kapitalgarantie aufgerufen, bis die erzielbaren Renditen vieler Produkte den Inflationsausgleich nicht mehr schaffen konnten. Nebenbei hat sich der Staat die Nachfrage nach seinen eigenen Anleihen organisiert.

Wer Veränderungen in der Finanzbranche – und da gäbe es viele Ideen – wirklich will, der sollte sich nicht auf die Regelsetzer oder den abstrakten Verbraucherschutz verlassen. Jeder informierte Anleger, der nicht jedemVersprechen oder Märchen von zwielichtigen Strukturverkäufern ungeprüft folgt, erhöht den Marktdruck für bessere Finanzprodukte und Beratungsleistungen.

 

Artikelbild: Autobahn Unfall. Pressefoto ADAC.

 

 

Print Friendly, PDF & Email
Share

Share This Article

Related News

JRC Capital Management Consultancy & Research GmbH EURUSD
JRC Capital Management – Devisenausblick USD/CAD
Merkel ausgelauscht. Was ist eigentlich diesmal anders?

Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.