Wir sagen Servus FTD
Die Financial Times Deutschland hat den deutschen Wirtschaftsjournalismus aufgemischt. Jetzt ist nach mehr als zwölf Jahren Schluss mit Geldverbrennen. Das Projekt war wirtschaftlich nicht erfolgreich.
Am 7. Dezember 2012 erscheint die letzte Ausgabe der Financial Times Deutschland (FTD). Auch der Online-Ableger ftd.de wird eingestellt. Deutschlands Presselandschaft hat von der FTD profitiert. Mehr als von 60 Jahren BILD, damit das mal klar ausgesprochen ist. Sogar das früher reichlich überdimensionierte und staubige Handelsblatt kommt inzwischen handlicher, frischer und inhaltlich überzeugender daher. Ein Verdienst der FTD, denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft.
Die Financial Times und deren Redakteure haben die Wirtschaftspresse zudem durch neue Ideen und einen frecheren Stil erkennbar bereichert. Dazu gehörten die Wahlempfehlungen der Redaktion. So warnten die Redakteure vor der letzten Bundestagswahl vor den Liberalen, die bekanntlich „trotzdem“ ein Rekordergebnis einfuhren, aber in der Regierung nicht wirklich viel zustande brachten. Jetzt gehen die Lichter bei der FTD vor denen bei der FDP aus.
Das lachsfarbene Papier war immer nur ein Symbol für mehr Farbigkeit in der deutschen Presse. Die FTD gab vor allem Orientierung und setzte von Anfang an auf Kommentare anstatt nur Nachrichten zu veröffentlichen. Das überzeugte inhaltlich.
Projekt FTD
Aber die Financial Times hatte auch eine andere Seite. Die Eigentümer verdienten kein Geld mit dem Blatt, das unter Wissenschaftlern inzwischen uneingeschränkt zitierfähig ist. Die Angaben schwanken zwischen einem Verlust von 250 und 300 Millionen Euro, den die FTD dem Verlag Gruhner & Jahr eingebrockt haben soll. Viel Geld, denn offenbar sehen die Eigentümer keine Trendwende in den nächsten Jahren. 2012 waren die Anzeigen bei den Wirtschaftsmedien stark zurück gegangen. Ein oft unterschätzter Krisenindikator in Zeiten, in denen offenbar jeder bei seinen Anlageentscheidungen auf die Veröffentlichung von Konjunkturindikatoren zu schauen scheint.
Vielleicht hat man in der Redaktion der Financial Times zu lange von einem Projekt gesprochen. Denn ein Projekt war das Blatt inzwischen längst nicht mehr. Wer anderen in der Wirtschaft die Leviten liest, der sollte auch selbst den Beweis der nachhaltigen Finanzierung antreten können. Das gelang nicht. Insofern ist die Einstellung konsequent und folgerichtig.
Das Kapital, Prüfer und Fricke werden fehlen
In der Kolumne „Das Kapital“ rechneten namenlose Redakteure beispielsweise kompetent vor, wenn sich irgendwo absurde Kursbewertungen bei Aktien zeigten. Manchmal wurden hier auch pointierte Antworten auf zu Unrecht gestellte Fragen gegeben. Das wird fehlen.
Stellvertretend für den Meinungs- und Kommentierungsteil möchten wir subjektiv an zwei weitere Highlights der FTD erinnern, die uns fehlen werden. Da ist zum einen Tilman Prüfer, der mit „Nichts als die Wahrheit“ eine Rubrik betreute, die persönliche Eindrücke verarbeitete und zunächst ein erstauntes Hinsehen provozierte. Was soll das in einer Wirtschaftszeitung? Später dann, als das auch der Leser begriff, gehörte Prüfers Kolumne zum wöchentlichen Ritual und zum Lesevergnügen der FTD. Hier eine Geschichte über Läuse.
Thomas Fricke. Er ist inzwischen der Chefökonom der FTD. Seine Kommentare zum Wochenende waren immer ein Genuss, auch wenn Tante Erna als Bild etwas zu oft herhalten musste. Fricke verstand es vorzüglich, Volkswirtschaft interessant zu vermitteln und politisch klare Hinweise aus seinen Erkenntnissen abzuleiten. Ein echtes Highlight war die Attacke auf Professor Sinn, der aus Sicht von Fricke mit seiner Basar-Ökonomie und auch sonst häufig absurde Thesen vertrat. Zum 60. Geburtstag von Sinn sammelte Fricke Meinungen ein. Fricke teilte aber in alle Richtungen aus und kritisierte Gerhard Schröder schon früher als andere Volkswirte, die oft einen eher zu mechanistischen Blick auf die Wirtschaft haben.
Wir hoffen, ach was wir sind uns sicher, dass wir die engagierten Kommentare von Thomas Fricke und Tilman Prüfer, aber auch der anderen Redakteure, in Zukunft irgendwo anders lesen können.
Servus FTD.