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Kritik zum Medienexperiment: Stefan Raabs Absolute Mehrheit

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12. November 2012

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Kritik zum Medienexperiment: Stefan Raabs Absolute Mehrheit

Stefan Raab ist der König der Formaterfinder in Deutschland. „Schlag den Raab“ ist eine dieser Erfindungen. Aber kann man Politik an ein jüngeres Publikum verkaufen. Durchaus. Auch wenn die erste Sendung holperte.

 
Die Talkformate zu politischen Themen von ARD und ZDF sind einschläfernd langweilig. Das liegt auch an den starren Konzepten, immer gleichen Gästen und fehlender Spontanität. Politiker „verkaufen“ ihre Positionen und verwenden dafür eingeübte Floskeln und Allgemeinplätze. Das langweilt. Bei Raabs erster Polit-Sendung war das etwas, aber kaum anders. Die Zeit drängte und wer schnell auf den Punkt kommt, der ist eindeutig im Vorteil bei Raabs Format. Politiker, die wie Thomas Oppermann (SPD) vor allem Redezeit gewinnen wollen und langatmig antworten, haben letztlich keine Chance.

Das Konzept von „Absolute Mehrheit – Meinung muss sich wieder lohnen“ ist einfach. Fünf Gäste diskutieren drei Themen und nach jeder Runde fliegt einer raus, darf aber weiter mitdiskutieren. Der Gewinner kann 100.000 Euro kassieren, wenn er am Ende die absolute Mehrheit der Zuschauerstimmen  aufweist. Anders als in anderen Sendungen gab es sofort Feedback für die Politiker. So kam es vereinzelt zu Szenenapplaus. Das war neu.

Der Raab-Faktor

Die Einführungsrunde von Stefan Raab war  vielversprechend. Raab stellte Fragen, die kein etablierter Moderator fragen würde. Beispielsweise wurde Thomas Oppermann (SPD) undiplomatisch gefragt, wie lange Peer Steinbrück noch zu halten sei. Oder der Linke Jan van Aaken, welche Frau er bevorzugt Sarah Wagenknecht oder Katja Kipping – natürlich politisch, denn man ist ja seriös. Für Michael Fuchs (CDU) hatte Raab zunächst nur „Fuchs wer hat die Gans gestohlen“ übrig. Wolfgang Kubicki wurde mit Fragen nach seinem Vorsitzenden sichtbar gequält. Einziger Nicht-Profi war Verena Delius, die als Unternehmerin vorgestellt wurde.

Die Sendung funktionierte auf Anhieb, da Raab sich auf provokante Fragen in der ersten Runde zum Steuersystem beschränkte. Raab war zudem keine Zote ungeeignet, um seine Gäste anzugehen. Der Moderator saß in der Mitte, breitbeinig in bester Cowboy-Manier, jederzeit für ein Duell bereit.

Die Gäste

Jan van Aaken war sicherlich die Entdeckung der Sendung. Der linke Außenpolitiker verteidigte sogar die abstruse Idee seiner Chefin, die ab einem Einkommen von 40.00 Euro eine konfiskatorische Steuer (100 Prozent) empfohlen hat, als „charmante“ Idee. Kubicki war beim Thema Steuern natürlich im Vorteil und punktete mit dem Hinweis, dass die Schlupflöcher statt der Spitzensteuer das wichtigere Thema seien. Offenbar war das Publikum bei Raab informierter als die gesamte Bundestagsfraktion der SPD zusammen, die wollen nämlich den Spitzensteuersatz anheben.

Delius punktete an dieser Stelle noch mit dem Hinweis auf Verschwendung. Interessanterweise gaben ihr alle Mitdiskutanten Recht. Das hindert dann zwar niemanden ab Montag wieder in den alten Trott zu verfallen.

Den meisten Applaus erntete den ganzen Abend schon der Außenseiter der FDP Wolfgang Kubicki, der sich sichtbar wohl dabei fühlte mit seiner Nachbarin zu flirten. Die übergab später sogar das Wort an ihn, was der Politprofi nutzte, um dem CDU-Mann aus Berlin eine Breitseite beim Thema Energiewende zu verpassen.

Nach der ersten Runde schied Michael Fuchs mit weniger als 10 Prozent der Stimmen aus. In der zweiten Runde, die das Thema Energiewende hatte, ging Delius. An der Reihenfolge änderte die dritte Runde (Soziale Netzwerke) nichts mehr, da alle mehr oder weniger ähnlich vernünftige Dinge forderten. Kubicki gewann mit über 42 Prozent vor van Aaken und Oppermann. Das Geld wandert in den Jackpot.

Pro & Con

Erfreulich waren die Einspieler, die weniger staatstragend und frischer als bei Plasberg und Jauch daher kamen. Hilfreich erwiesen sich die Fragen des Moderators, der seine Gäste offen zu provozieren suchte. Auch die Gäste versuchten sich gegenseitig zu provozieren. Die alten Hasen Oppermann und Fuchs verfielen nur einmal in den alten Trott, also sie um Redezeit rangen.

Die Sendung hatte natürlich noch einige Schwächen: So war völlig unklar, weshalb die Ausgeschiedenen noch ausgiebig zu Wort kommen durften, während die Unternehmerin (Apps für Kinder) kaum Redeanteile erhielt. Eine weitere konzeptionelle Schwäche waren die Zwischenstandsdiskussionen mit Nachrichtenmann Peter Limbourg, dessen Rolle in der Sendung faktisch nicht vorhanden war und der wohl Seriosität antäuschen sollte. Auch erwiesen sich drei Themen eindeutig als zu viel. Warum sollte man nicht ein Thema besprechen und dann immer weiter in die Tiefe gehen? Eindeutig falsch war es, dass die Stimmen aus den Vorthemen in die nächste Runde mitgenommen wurden. Die Reihenfolge Kubicki, van Aaken blieb dann auch erhalten. Die Abstimmungen waren bereits nach der ersten Runde langweilig. Einzig spannend war die Frage, ob Kubicki das Geld abräumt oder nicht.

Zum Thema Anderssein: Die Gäste waren bis auf van Aaken die üblichen Verdächtigen der Polit-Talkshows im TV. Günther Jauch hatte stattdessen diesmal eher Außenseiter in seine Sendung geladen. Ob das schon eine Reaktion auf den Gegner war. Diesmal gab es noch keine Überschneidung, da ProSieben einen Spielfilm mit Überlänge zeigte. Das könnte sich ändern.

Insgesamt war „Absolute Mehrheit“ neu, frischer und anders. Wer will kann sich die Höhepunkte bei ProSieben anschauen (Link).

 Artikelbild: Screenshot Sendung.
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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.