Wer spekuliert eigentlich gegen Italien und Spanien Herr Schulz?
Politiker versuchen ständig von den eigenen Fehlern und Verantwortlichkeiten abzulenken. Das ist bei Großprojekten so, bei Verlusten von Landesbanken und in der Eurokrise sowieso.
Jetzt hat der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, via Interview seine typischen Vorurteile verbreitet. Herausgekommen ist, dass Schulz ein naives Verständnis von Wirtschaft hat und die Welt in Gut und Böse einteilt.
Schulz stören die „massiven Spekulationen“ gegen Italien. Da fragt man sich schon, wer das eigentlich ist, der gegen Italien spekuliert. Hinter den Äußerungen von Schulz steckt ein fehlendes Verständnis über die Preisbildung von Staatsanleihen. Das Ganze wird garniert mit ebenfalls vorurteilsbeladenen Vorstellungen über Hedgefonds. Hinzu kommt die fehlende eigene Kritikfähigkeit.
Warum Zinsen für Staaten sich unterscheiden
Ein Anleger, der derzeit nicht bereit ist, Anleihen von sagen wir Portugal oder Italien zu Zinsen von Deutschland zu kaufen, handelt nicht spekulativ, sondern vernünftig. In Schulzscher Diktion allerdings spekuliert ein solcher Anleger gegen Portugal oder die Italiener. Er ist gierig. Pfuih.
Leider haben uns die „guten“ Investoren in der Vergangenheit den Schlamassel erst eingebrockt. Griechenland konnte sich noch im Jahr 2008 zu fast den gleichen Bedingungen wie Deutschland refinanzieren. Heute wissen wir, damals hätten die Finanzmarktteilnehmer Druck machen müssen, dann hätten die Griechen viel früher ihren Bankrott erklärt und weniger Schulden aufgehäuft.
Schulz – man könnte den Namen durch Gysi oder Wagenknecht ersetzen – argumentiert jenseits von allen Fakten und Kenntnis der Mechanismen auf den Anleihemärkten, wenn er meint, dass Zinsen für Italien knapp unter sechs Prozent nicht hinnehmbar seien. Denn Fakt ist: Das Land muss immer nur den neuen Teil seiner Staatsschulden zu den dann schlechteren Konditionen refinanzieren und das klingt dann weniger dramatisch.
Bezüglich der Höhe der Zinsen ist die Welt auch etwas komplizierter als Schulz meint. Dabei gibt es keinen Wirtschaftswissenschaftler auf dieser Welt, der sich aus dem Fenster lehnen würde, um die Zinsen eines Staates vorrechnen zu wollen, oder gar als falsch oder richtig zu bezeichnen. Wenn man es genau nimmt, dann handelte es sich hierbei um eine massive Aneignung von Wissen. EZB-Mann Jörg Assmussen erwähnte kürzlich in Berlin, dass neuerdings italienische und spanische Staatsanleihen Risikoprämien für den Austritt aus der Währungsunion beinhalten. Auch so ein Gedankenkonstrukt ohne Fundierung.
Verantwortung übernehmen – heißt auf unsichtbare Feinde verzichten
Das Ärgerliche ist, dass nicht nur die Staaten alleine leiden, sondern auch die Unternehmen im Krisenland schlechtere Konditionen als anderswo zahlen müssen. Insofern entsteht eine Art Teufelskreis, den Schulz zurecht für schädlich hält. Aber es ist wichtig, wenn man die Ursachen zunächst klar herausarbeitet und nicht um den heißen Brei herumredet.
Schulz jedenfalls sieht die Zentalbanker derzeit legitimiert gegen die dunkle Seite der Macht anzugehen. In Wirklichkeit handelt es sich beim Ankauf von Staatsanleihen, den jetzt die Europäische Zentralbank (EZB) angekündigt hat, um ein Notmanöver der Zentralbanker, die unsere Politiker wieder mal raushauen müssen. Das sagt Schulz als überzeugter Parlamentarier natürlich nicht, stattdessen werden wahlweise „die Finanzmärkte“ oder noch besser Hedgefonds kritisiert. Dabei sind diesmal andere die Schuldigen. Echt.
Gründe für den Zinsspread
Wo der Politiker Schulz böse Mächte im Spiel vermutet, könnte einfach schlechte Politik schuld sein. Italien beispielsweise musste mehrere Jahre den Politik-Clown Berlusconi ertragen – übrigens eine Art Intimfeind von Schulz, was diesen wiederum sehr sympathisch macht. Jedenfalls war Italien unter Berlsuconi immer weiter im Wettbewerb abgerutscht. Monti schaffte den Turnaround für das Land, aber Italien benötigt noch einige Jahre mit Reformen. Zurzeit ist das Land nur auf Rang 42 von 144 Nationen, wie das World Economic Forum jüngst feststellte. Man beachte: Italien ist G7-Land kommt also von oben. Beim makroökonomischen Umfeld landete Italien auf Rang 102.
Das Krisenland Spanien galt bei den Haushaltszahlenfür Politiker lange als Musterschüler unter den Euroländern. Nimmt man die Wettbewerbsfähigkeit des Landes als Maßstab, dann ist Spanien nur auf Rang 36 zu finden. Für ein Industrieland ist das ein echtes Problem. Beim Makro-Gesamtbild liegt Spanien auf Rang 104. Bei der Effizienz des Arbeitsmarktes kommt Spanien auf Rang 108 von 144. Spanien hatte vor dem Platzen der Immobilienblase schon hohe Arbeitslosenzahlen und jetzt ist deren Zahl unerträglich hoch. Die Politiker des Landes setzten einseitig auf den Bauboom. Das ging schief.
Auf ein Wort Herr Schulz
Ist es die Aufgabe von weltweit agierenden Anlegern, Länder mit Reformbedarf mit günstiger Liquidität zu versorgen? Was ist überhaupt von einem Investor zu halten, der griechischen Politikern heutzutage Geld leiht? Vermutlich gibt es zurzeit nicht zu viele böswillige Akteure auf den Finanzmärkten, sondern einfach zu wenige, die an den Erfolg der Reformen glauben. Diese einfache Unterscheidung hat dramatische denklogische Folgen: Im einen Fall gibt es eine dunkle Seite der Macht und im anderen Fall ein Vertrauensdefizit in die Gestaltungskraft von Politiker. Im ersten Fall haben wir eine Krise des Kapitalismus und im anderen Fall eine Krise der Politik und seiner Akteure.
Ich, Tacheles, empfehle jedenfalls Martin Schulz mit seinem Geld italienische, spanische oder noch besser griechische Staatsanleihen zu kaufen und so zur Abwechslung mal mit eigenem Geld proaktiv gegen die höheren Zinsen der Krisenländer anzugehen. Wir brauchen endlich wieder Vorbilder in der Gesellschaft. Denn es gibt zwar keine bösen Investoren, aber die Guten fehlen.
Der EU-Parlamentspräsident sollte jedoch beachten, dass solche Manöver richtig schief gehen können. Im Jahr 2010 hatte Hans Eichel – ein Glaubensbruder – in einer deutschen Talkshow angekündigt, dass er griechische Staatsanleihen kaufen würde. Seither verloren Anleger 75 Prozent mit den Papieren. Es ist nicht überliefert, ob Hans Eichel damals tatsächlich neue Staatsanleihen von Griechenland gezeichnet hat. Zuzutrauen wäre ihm so viel Naivität.[divider top=“1″]
Ein Video-Tipp für Schulz.
Artikelbild: Martin Schulz MEP. Wiki Commons. Urheber Mettmann.