Trend: Geld fliesst aus Südeuropa ab
Ein Jahrzehnt lang flossen hohe Geldsummen nach Südeuropa. Dieser Trend hat sich jetzt umgekehrt. Zeitlich gab es eine Koinzidenz mit der Einführung des Euro.
Mehrere US-Unternehmen kündigten zuletzt offiziell einen Rückzug aus den südlichen Euro-Regionen an. Darunter sind beispielsweise Alcoa und der Windelhersteller Kimberly-Clark, die bereits vor einigen Wochen Umstrukturierungen im Europageschäft bekannt gegeben hatten.
Gründe für den Einbruch
Auch europäische Unternehmen stärken die heimische Industrie zu Lasten der Peripherie. Die Gründe dabei sind unterschiedlich, aber ähnlich: Unternehmen investieren in der Regel, wenn sie Wachstum erwarten, um nicht zu große Widerstände bei der Markterschließung vorzufinden. Wachstum bezieht sich dabei in erster Linie auf die Bevölkerung oder das Einkommen. Ersatz können in der Krise nur die Regierungen schaffen, die sind aber ebenfalls klamm zurzeit. Die US-Ratingagentur Standard & Poors sieht für 2013 weiter schrumpfende Einkommen in Südeuropa. Solch eine Entwicklung dürfte die Krise weiter verschärfen. Dabei sind viele der jetzt gestrichenen Investments dauerhaft für die Region verloren.
Problemland Italien
In Italien beschäftigen ausländische Unternehmen zehn Prozent der Arbeitnehmer, sind aber für etwa 30 Prozent der Forschungs- und Entwicklungsausgaben verantwortlich. Das liegt nach Einschätzung von Beobachtern an der eher finanzschwachen mittelständindisch geprägten Struktur der Wirtschaft. In Mailand schloss der französische Arzneimittelhersteller Sanofi kürzlich ein Forschungszentrum mit 500 Mitarbeitern. Alcoa gab unter großen Protesten einen Betrieb auf Sardinien auf. Ein Käufer für die Fortführung der Aktivitäten konnte bislang nicht gefunden werden. Ein weiterer Faktor für die Schwäche Italiens sind bürokratische Hindernisse. So verlor die Region Mailand die Ansiedlung einer Firmenzentrale des Sportartikelverkäufers Decathlon, da nach acht Jahren immer noch nicht alle Freigaben vorhanden waren. Das kennt man hierzulande auch.
Direktinvestitionen
Direktinvestitionen sind notwendig, um Arbeitsplätze zu schaffen und Innovationen zu fördern. In Spanien ziehen sich Unternehmen wie der deutsche Pharma- und Chemiekonzern Merck zurück, da dort die Erstattungen als Folge der Krise rückläufig sind. Bereits im Sommer hatte Merck sich über die Zahlungsmoral in Südeuropa lautstark beschwert. In Spanien befindet sich Merck bereits inmitten seiner Umorganisation und will ein Fünftel der Stellen streichen. Aber: Auch in Deutschland gehen 1100 Jobs verloren.
Proteste wie in Spanien helfen da nur wenig. Besonders bedrückend sind die Signale für die Südeuropäer, die von den Deinvestitionsstrategien der Unternehmen ausgehen. Man hat offenbar bei vielen multinationalen Unternehmen die Hoffnung auf eine schnelle und nachhaltige Besserung längst aufgegeben. Die Direktinvestitionen in Südeuropa sind seit 2007 um fast 40 Prozent zurückgegangen. Im Vergleich dazu waren die Direktinvestments in Europa insgesamt nur um 8,5 Prozent gefallen.
Das Kapital wandert lieber in Wachstumsregionen, wie beispielsweise Schwellenänder. Wie die UNCTAD feststellte, flossen erstmals mehr als die Hälfte der weltweiten ausländischen Investments in Schwellenländer. Inzwischen sind sogar Zahlunsströme aus den Schwellenländern zu beobachten. Aus China – inklusive Hongkong – kam das meiste Geld. Das asiatische Land liegt bei ausländischen Direktinvestitionen weltweit schon auf Rang Drei.
Der Beitrag des Euro
Bislang profitierten die Südeuropäer überwiegend von der Gemeinschaftswährung. Die Länder haben aber erschreckend wenig aus diesem Vorteil gegenüber anderen Ländern außerhalb Europas gemacht. Italiens Arbeitsmarkt ist nicht wettbewerbsfähig, sondern verkrustet und behindert das Schaffen langfristiger neuer Jobs. Spanien hat erschreckende Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen, die über 50 Prozent ausmacht. Griechenland ist ohnehin nicht wettbewerbsfähig mit den anderen Ländern im Euroraum.
Der Mittelabfluss aus der Region ist aus Sicht der Investoren und investierender Unternehmen durchaus verständlich, dürfte aber für die Wachstumsaussichten erhebliche Konsequenzen haben. Die Politik schaut dem Treiben seit Jahren zu, ohne ausreichende Antworten zu geben.