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Steinbrück gibt das dümmste Interview 2012

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31. Dezember 2012

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Um in der Interview-Kategorie „dümmer geht’s nimmer“ zu punkten, muss man sich ziemlich anstrengen. Der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten nahm die Hürde spielend in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS).

Das Gesprächskonzept des Interviews mit der FAS hätte Steinbrück schon entweder ablehnen oder im Interview verändern sollen. Es ging sehr wenig um Politik und mehr um die Kanzlerin. Dabei stürmte Peer Steinbrück in manches Fettnäpfchen. Außerdem offenbart er einen Mangel an Gespür für die eigene Partei. Eigentlich hat er gar keins.

Interviewvorbereitungen

Wenn man sich als Spitzenpolitiker mit einem Medium auf ein Interview einlässt, dann sollte man seinen Pressereferenten vorher die Bedingungen abklären lassen. Das betrifft den Themenkanon und vor allem die Möglichkeit der nachträglichen Korrektur. Das sollte man insbesondere dann tun, wenn man vorher schon viele Fehler bei der eigenen Kommunikation begangen hat.

Reizthema Bezahlung

Von dem Interview werden zwei Sätze bleiben. Der eine Satz lautet: „Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin.“ Da hat er vermutlich Recht und mehr hat er auch gesagt, aber in Zeiten von Twitter ist die ganze Passage einfach zu lang, um sie auf 160 Zeichen unterzubringen. Auf eine Frage zu den nach Kanzler-Aktivitäten von Gerhard Schröder antwortete Steinbrück freiwillig eher redselig so: »Im Übrigen finde ich allerdings, dass manche Debatte über die Bezahlung unserer Abgeordneten bis hin zur Spitze der Bundesregierung sehr schief ist. Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin. Abgeordnete des Bundestags arbeiten fast sieben Tage die Woche, durchschnittlich zwölf bis 13 Stunden. Sie sind gemessen an ihrer Leistung nicht überbezahlt. Manche Debatte, die unsere Tugendwächter führen, ist grotesk und schadet dem politischen Engagement.«

Bei aller Zustimmung in der Sache ist das Thema Bezahlung des Kanzlers in seiner Situation ein typisches Glatteisthema für den Kandidaten. Denn Peer Steinbrück hatte gerade seine Diskussionen um bezahlte Vorträge hinter sich und hätte hier vorsichtiger sein müssen.

Vorschläge zur Beantwortung

Neben dem Rausredigieren aus dem Interview – besser wäre freilich eine bessere Themenabsprache gewesen – blieben Steinbrück verschiedene kurze Antwortmöglichkeiten übrig, die das Interview gesteuert hätten. Je nach Temperament.

Eine freundliche Zurechtweisung wäre so möglich gewesen:
Das ist nicht mein Thema.“
„Ich glaube nicht, dass Politiker über ihre Bezüge öffentlich debattieren sollten.“

Die Antwort eines Sozialdemokraten vom Schlage eines Willy Brandt wären folgende Antworten gewesen:
„Das Amt des Bundeskanzlers ist gut bezahlt und eine Ehre für jeden Politiker.“
„Man muss das gesamte Paket sehen. Für die Altersbezüge, die einem Kanzler oder einer Kanzlerin zurecht zustehen, muss ein Arbeitnehmer sehr lange arbeiten.“

Ablenkend war es möglich folgende Antworten zu geben:
„Weniger als das Gehalt empfinde ich wie wohl alle Spitzenpolitiker die Einschränkungen durch das Sicherheitspersonal in einem Spitzenamt als störend.“
„Ich würde mich über politisch relevantere Fragen sehr freuen.“

Eurokrise und das Schweigen des Kandidaten

Als die Journalisten der FAS das Thema Europa aufmachten hatte Steinbrück die Möglichkeit, seine Position zu erläutern und die Unterschiede zu Merkels Politik zu erläutern. Auch daran scheiterte er grandios. Die Journalisten fragten nicht völlig ohne Grund, wie Steinbrück die Unterschiede zur Kanzlerin erläutern könne, wenn man bislang allen Hilfsmaßnahmen zugestimmt habe.

Auszug seiner Antwort: »Wir stimmen Rettungsmaßnahmen zu, weil wir das für den richtigen und verantwortlichen Kurs in unserer Europa-Politik halten und weil wir auch in der Opposition Entscheidungen treffen müssen, an die wir in der Regierungsverantwortung nahtlos anknüpfen müssen.«

Steinbrück ist zwar ein hervorragender Vortragsredner, aber die Form des Interviews hat er bislang nicht verstanden. Er konnte hier Pluspunkte sammeln, indem er eine Lösung des Streites unter seiner Führung angekündigt hätte. Denn Angela Merkels Politik der kleinen Schritte in Europa nervt so ziemlich jeden im Land, der sich für das Thema interessiert.

Stattdessen ließ sich Steinbrück von seinen Gesprächspartnern lenken und bleibt so wie ein schlichter Antwortengeber in der Defensive in Erinnerung.

Reizthema Frauenbonus

In einem weiteren Thema, das vom „International Herald Tribune“, der globalen Ausgabe der New York Times, aufgegriffen wurde, beschäftigt sich mit der Wirkung von Peer Steinbrück auf die Frauen. Der Kandidat sieht einen Frauenbonus bei Merkel und bringt sich selbst dadurch ins Schleudern. Eine nette Frage dazu folgte und Steinbrück hätte erneut ausweichen sollen. Es folgte die Frage:

„Ein Umfrageinstitut hat herausgefunden, dass nur jede dritte Frau gerne mal mit Ihnen essen gehen würde. Kränkt Sie das?“

»Nein, die ewigen Fragen danach, wie ich auf Frauen wirke, haben mit dem erwähnten Bonus von Frau Merkel zu tun.«

Dabei war die Frage so formuliert, dass man hätte zurückfragen können, wie viele Männer denn mit Frau Merkel essen gehen würden. Aber Steinbrück scheint das Thema zu treffen und insofern ging mit ihm wieder mal der Gaul durch.

Fettnäpfchen-Peer blieb sich aber treu und zeigte sich erneut beratungresistent. Er wolle sich nicht umstylen lassen und überhaupt entscheiden die Wähler sich nicht nach Sympathie. Wenn er sich da mal nicht täuscht.

SPD plant schon 2017

Sollte die SPD 2013 in eine Regierungsbeteiligung schliddern, dann wohl nicht wegen, sondern trotz ihres Kandidaten.

Bei den Sozialdemokraten an der Basis haben schon viele Genossen den Wahlkampf 2013 bereits aufgegeben. Denn für einen Kandidaten müssen – Peer Steinbbrück aufgepasst: völlig ohne Bezahlung – Plakate geklebt werden und da kommt es auf die internen Sympathie-Werte des Kandidaten oder der Kandidatin an. 2017 tritt in der Vorstellung der Genossen Hannelore Kraft in Berlin an. Dann kleben die Genossen auch wieder gerne Plakate und einen Frauenbonus hat Angela Merkel dann auch nicht mehr.

Artikelbild: Wiki Commons.
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Inzwischen ist ein weiteres Detail bekannt geworden. Peer Steinbrück soll bei seinem Versuch, Prädident der Schleswig-Hollsteinischen Sparkassen zu werden, gescheitert sein. Heide Simonis verweigerte ihrem damals in Ungnade gefallenen Finanzminister den Job, der damals mit 400 000 D-Mark dotiert war. Schreibt die FAS jetzt in einem Stück. Überhaupt Sparkassenpräsidenten: Peer Steinbrück soll später in NRW Gustav Adolf Schröder gestützt haben, der Chef der Sparkasse KölnBonn, an dessen Zeit das Institut heute am liebsten nicht erinnert würde. Schröder ist eine tragende Figur in den Klüngel-Verbindungen um die Geschehnisse im Bankhaus Sal. Oppenheim, die noch immer juristisch aufgearbeitet werden. So viel zum Thema Urteilsvermögen eines Kanzlerkandidaten und wie Macht tatsächlich funktioniert.

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.