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Medien-Kritik: Fußball bei den Öffentlichen

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23. Juni 2012

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Medien-Kritik: Fußball bei den Öffentlichen

Wow. Deutschland hat erstklassige Kicker. Die öffentlich-rechtlichen Medien halten da nicht mehr mit. Ausgerechnet der fachfremde Moderator Markus Lanz liefert die beste Nachbetrachtung. Sein Konzept: Ich talke nicht gegen Fußball an, sondern lade mir einfach Gäste ein und rede nur über Fußball.

Screenshot ARD-Homepage

Die ARD kann mit ihrem Talk-Format nicht gegen Markus Lanz konkurrieren. Waldis Club ist eine Sendung aus der alten Zeit des Fußballs, als sich Dinosaurier Zoten an den Kopf warfen und Fußball noch in Zeitlupe gespielt wurde. Die als Stammtisch aufgemachte Bühne mit Cocktailbar im Hintergrund ist noch das Beste an der Sendung nach ARD-Spieltagen. Das Konzept der Sendung wäre gar nicht so schlecht, wenn man einen echte Moderator im Einsatz hätte, der Interesse an seinen Gästen und deren Meinungen hat. Um es kurz zu machen: Waldemar Hartmann ist kein solcher Moderator. In schwachen Momenten der Regie sieht man wie verzweifelt Waldi auf sein Konzeptpapier blickt, um möglichst zum richtigen Zeitpunkt Matze Knoop zur eigenen Entlastung ins Spiel zu bringen. Was die Gäste zwischendurch gesagt haben, spielt für seine Fragen ohnehin keine Rolle. Knoop ist in der Tat der einzige Lichtblick der Sendung, aber durch die Häufigkeit der Schalten zu Loddar und Jogi ist die Sprachkomik nicht mehr frisch genug und Knoop droht mit Hartmann unterzugehen.

ARD- und ZDF Kommentatoren im Vergleich

Die ARD hat mit Reinhold Beckmann und Mehmet Scholl das eindeutig eloquentere Kommentatoren-Duo. Dass Scholl möglicherweise bei seinem Dekubitus-Vergleich für Mario Gomez eine Schublade zu tief gegriffen hatte, ist zu verzeihen. In der Sache gibt ihm das Spiel der Nationalmannschaft gegen Griechenland recht. Endlich hatte Mesut Özil wieder Kicker auf dem Feld, mit denen der Madrilene Spaß am Kicken hatte. Die ARD blieb bei ihrem Konzept ohne direktes Auditorium aus dem Studio zu senden und kann so ohne Störungen von draußen analytisch das Geschehen nachzeichnen. Eine Offenbarung sind die Dialoge freilich noch nicht, was nicht an Scholl, sondern eher an Beckmann liegt.

Die ZDF-Sendungen von Usedom sind zu Recht in der Kritik. Begeisterung lässt sich so nicht transportieren. Die Zuschauer sitzen in Strandstühlen weit weg von der Bühne und werden nicht wirklich in das Konzept einbezogen. Auch wenn das eingespielte Duo Kahn/Müller-Hohenstein seinen Aufgaben bisher gut nachkommt, fällt doch die Bühnengestaltung durch. Aus irgendeinem Grunde bevorzugt das ZDF Bühnen im Wasser, wobei sich der Zusammenhang zwischen diesem Element und dem Fußball nicht direkt aufdrängt. Positiv ist bei der Sendung die Bloggerin, die Oliver Kahn zum Twittern überredette und sich inzwischen auch eigene Kommentare traut. Sie wird sicherlich bald in den Job als Moderatorin beim ZDF einsteigen.

Vorteil Lanz

Der König der Fußballmoderation ist in diesem Jahr eindeutig Markus Lanz. Ihm ist es gelungen, sogar Lothar Matthäus sympathisch zu präsentieren, ohne irgendein Fettnäpfchen aus der Vergangenheit des Fußballers auszulassen. Seit gestern wissen wir: Matthäus, der wie Boris Becker eine tragische Sportlerlegende ist, kann sogar über sich selbst schmunzeln.

Der Grund für den klaren Vorteil von Lanz gegenüber der Konkurrenzsendung „Waldis Club“ ist in der Klasse des Moderators zu finden. Waldemar Hartmann ist nicht mehr als ein Stichwortgeber, der seine Zenit längst überschritten hat. Markus Lanz ist ein ausgebildeter Fragensteller, dem man als Gast offenbar sogar ungehörige Fragen nicht böse nehmen kann.

Ein anderer Aspekt: Die Redaktion von Markus Lanz ist offenbar immer noch an den Gästen interessiert. Damit unterscheidet sich diese Sendung wohltuend von Sendungen wie Günther Jauchs Talk am Sonntag und Frank Plasbergs „Hart aber fair“. Die ARD ist im Talkformat schon längere Zeit deutlich schlechter aufgestellt als das ZDF. Dass sich diese Schwäche ausgerechnet bei der Berichterstattung über Fußball zeigt, ist nur eine Randerscheinung. Völlig zu Recht sind die Sendungen von Günther Jauch und Plasberg in der Kritik der ARD-Gremien. Warum man Anne Will vom Sonntagabend für Jauch vertrieben hatte, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Übrigens legendär war die Berichterstattung vom jetzt ge“scholl“tenen Jauch über ein abgebroches Fußballspiel, den „Torfall von Madrid“. Damals moderierte Günther Jauch zusammen mit Marcel Reif das Aprilscherzspiel im Jahr 1998 – Real Madrid gegen Borussia Dortmund. Fußball moderieren ist die hohe Kunst.

Artikelbild: Screenshot. ZDF. Mediathek.

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.