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Euro 2012: Die Fehler des Jogi Löw

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29. Juni 2012

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Euro 2012: Die Fehler des Jogi Löw

Deutschland ist enttäuscht. Hierzulande ist der Fußballsachverstand größer geworden. Das ist „au“ ein Verdienst von Joachim Löw, der Fußball in den letzten Jahren der Öffentlichkeit sehr gut erklärt hat. Leider hielt sich Jogi Löw während der Euro 2012 nicht an seine eigenen Erkenntnisse.

Natürlich sind die Kommentare jetzt voller Häme. So erhielt der deutsche Mario Gomez von der Auslandspresse ein wenig schmeichelhaftes Synonym verpasst: Laternenpfahl (ital. lampione). Das erinnerte an den Vergleich von Mehmet Scholl zu Beginn der Europameisterschaft. Mit seinem Dekubitus-Vergleich kitzelte Mehmet Scholl aus dem Stürmer ganz ungeahnte Qualitäten. Im dritten Spiel gegen Dänemark hatte die deutsche Mannschaft dann Glück nötig um weiter zu kommen. Gomez fiel nicht auf. Das Spiel der Mannschaft nach vorne wirkte jedoch wie ein Rückfall in alte Zeiten. Es lag auch an der Spieltaktik, die mit Gomez besser auszurechnen war als mit Klose oder Reus in der Sturmspitze.

Formschwache Spieler im Einsatz

Lukas Podolski, Thomas Müller und Bastian Schweinsteiger waren außer Form. Das sah jeder am Bildschirm. Auf der Bank saßen Marco Reus, Andre Schürle, Lars Bender und Toni Kross, die mit den Hufen scharrten und in besserer Verfassung waren. Die Gründe für die Formschwäche der zuerst genannten Spieler waren unterschiedlich. Thomas Müller hatte bei Bayern eine insgesamt durchwachsene Saison gespielt, Bastian Schweinsteiger musste Verletzungen verkraften und Lukas Podolski war in der Rückrunde nach einer tollen Hinserie meist abgetaucht und mit Köln abgestiegen.

Niemand sollte den Spielern das vorwerfen. Es ehrt sogar Bastian Schweinsteiger, dass er nach dem Spiel gegen Griechenland dem Bundestrainer in einem Welt-Interview eine Brücke baute, ihn rauszunehmen aus dem Team. Löw lehnte ab und erhob Schweinsteiger erneut vom „emotionalen Leader“. Bastian Schweinsteiger wiederum war mit sich selbst genug beschäftigt und konnte die hohen eigenen Erwartungen an sich im Spiel gegen Italien erneut nicht erfüllen.

Der Bundestrainer hatte in der Vergangenheit gerne das Leistungsprinzip betont. Nur er verhielt sich während der Euro 2012 nicht nach diesem Prinzip, indem er auf formschwache Spieler setzte. Lars Bender hatte beispielsweise gegen Dänemark läuferisch und im Defensivverbund eine überragende Leistung geboten. Dafür musste er gegen die Griechen aussetzen und dem eher ungelenken Boateng weichen. Marco Reus und mit Abstrichen André Schürle hatten dann gegen Griechenland gezeigt, dass sie das deutsche Spiel beleben konnten. Auch Mesut Özil profitierte von den Hereinwechslungen und blühte auf. Zudem kam mit Miro Klose ein spielstärkerer Angreifer ins Team.

Zuvor hatte der Fußballphilosoph Löw genau das richtig analysiert und die Laufbereitschaft, er nannte das Laufwege, der anderen verantwortlich für Özils Probleme im Spiel ausgemacht. Die deutsche Mannschaft war auf dem richtigen Weg. Die formstärkeren Spieler kamen ins Team und der Spielfluß profitierte davon.

Das Spiel gegen Italien

Die Gründe für die Hereinwechslung von Gomez werden wohl für immer das Geheimnis des Bundestrainers sein. Löw hat weder sich noch Gomez damit einen Gefallen getan. Die deutsche Mannschaft wurde jedenfalls durch diese Hereinnahme massiv geschwächt. Spielt eine Mannschaft mit Mario Gomez in der Mitte, dann versuchen alle anderen Spieler ihm hoch den Ball zuzuspielen. So spielt Bayern, ist erfolglos und wird erfolglos bleiben. Das macht das deutsche Spiel berechenbar und weniger spielerisch.

Spanien setzt ganz andere Akzente und spielt gleich ohne Mittelstürmer. Barcelona hat Messi, der im Vergleich mit Mario Gomez oder Mario Ballotelli, als Zwerg durchgehen würde. Ein ziemlich genialer Zwerg übrigens. Aber man sollten den Spaniern und Barcelona attestieren, dass der Verzicht auf Stoßstürmer wie die genannten Mario-Spieler einen Grund im System hat. So hatte Pep Guardiola zu Beginn seiner Trainerzeit in Barcelona den Rekordtransfer Zlatan Ibrahimovic – auch so einer – aussortiert. Auch das ist ein Hinweis auf die Notwendigkeiten des Systems, wie es auch Deutschland spielen will.

Joachim Löw betonte vor dem Spiel gegen Italien, wie wichtig es ihm sei, dem Spiel den eigenen Stempel aufzudrücken. Dann nimmt er Toni Kroos ins Team statt Müller um das Mittelfeld zu stärken und die beiden Stars von Italien Andrea Pirlo und Riccardo Montolivo zu stören. Das war ein Rückfall in altes Denken. Zudem funktionierte es nicht und das lag nicht an Kroos, sondern an der falschen Grundidee.

Die Maulwurf-Diskussion – oder wie man sich selbst schwächt

Jogi Löw hat zugelassen, dass sein Team geschwächt wurde. Er hat die eigenen Spieler lange auf die Folter gespannt, da er Indiskretionen über die Mannschaftsausstellung befürchtete. Souverän wäre es gewesen, sich nicht verunsichern zu lassen. Er hätte auch die Spielersitzung abhalten können, um dann eine Pressemeldung rauszugeben. Die Aufstellung vom Donnerstag hat ohnehin kein Italiener verstanden.

Durch sein wenig souveränes Verschieben der Spielersitzung hat Löw sein eigenes Team geschwächt. Das war ein weiterer Fehler.

Das Leistungsprinzip

Jogi Löw behauptet zwar, das Leistungsprinzip würde in der Nationalmannschaft gelten, aber sein Handeln spricht eine andere Sprache. Lars Bender spielte souverän. Er bakm einen Platz auf der Bank zugewiesen. Marco Reus spielte genial und durfte gegen Italien erst zu spät spielen. Bastian Schweinsteiger spielte, obwohl mit Lars Bender und Toni Kroos Alternativen im Team waren.

Das Problem ist nicht die Mannschaft und auch nicht einzelne Spieler wie Bastian Schweinsteiger oder Mario Gomez. Das personifizierte Problem ist Joachim Löw selbst, der selbstverliebt seine eigenen Fehler nicht korrigiert. Das nennt man Hybris. Im Deutschen Fußball gibt es aber nur einen, dem man solch eine Selbstüberschätzung durchgehen lässt. Es ist der Kaiser. Weltmeister als Spieler und Teamchef.

2014

Gegen Spanien 2010 scheiterte das Team schon einmal an Löw, der seinen Spieler zu passiv agieren ließ. Löw kann keine großen Spiele gewinnen und ist seinen Trainerkollegen bislang hoffnungslos unterlegen. Die Spaniern wunderten sich 2010, weshalb Deutschland so ängstlich gegen den späteren Weltmeister gespielt hatte.

Joachim Löw sollte sich symbolisch vor die Mannschaft stellen und zugeben: Ich habe gravierende Fehler gemacht. Nur dann wird es 2014 etwas mit dem Weltmeistertitel in Brasilien. Löw sagte auf dem Rückflug: »Klar wird jetzt viel über die Aufstellung diskutiert. Diese Verantwortung übernehme ich auch«.

Das ist zwar noch etwas dünn, aber geht in die richtige Richtung. Joachim Löw muss sich bis 2014 steigern und seine Prinzipien konsequent einhalten: Leistungsprinzip ohne Ansicht der Namen, Verzicht auf formschwache Spieler und Durchsetzen des eigenen Spiels. Auch wenn so ein Spiel mal 3 zu 4 verloren geht gegen Spanien, Italien oder Brasilien. Die deutsche Mannschaft war auf dem besten Wege so zu spielen wie Spanien, aber mit Torgefahr. Das ist der Weg. Das ist das Ziel.

Artikelbild: Wiki. Urheber Steindy.

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.