Die Griechen sperren die Falschen ein
Ein griechischer Journalist veröffentlicht eine Liste mit Steuerflüchtlingen und wird verhaftet. Das spiegelt die Probleme der Griechen.
Es ist kaum jemandem in Europa zu vermitteln, dass reiche Griechen ihr Geld aus dem Land schaffen und dafür Bürger anderer Nationen einspringen sollen. Jetzt werden von der Staatsanwaltschaft sogar die Falschen verhaftet. Die Geschichte dahinter ist auch die Odyssee einer Liste, die offenbar niemand haben wollte, weil sich aus ihrer Existenz unangenehme Konsequenzen ergeben könnten.
Die Fakten
Die griechische Polizei verhaftete den investigativen Journalisten Kostas Vaxevanis, der eine Liste mit den Namen von über 2000 Griechen veröffentlichte, die angeblich fast zwei Milliarden US-Dollar in Genf angelegt haben sollen. Vaxevanis wurde am Sonntagmorgen in einem Haus eines Freundes in Athen verhaftet. Der Journalist habe mit der Liste griechische Gesetze und die Persönlichkeitsrechte der im Artikel genannten Bürger verletzt.
Die Zeitschrift ‚Hot Doc“, deren Herausgeber Vaxevanis ist, wurde die Liste zugespielt. Auf dieser befinden sich vermutlich viele Steuerhinterzieher. Das Blatt hält es für offensichtlich, dass die meisten Gelder illegal seien, schließlich wurden die Gelder von den Konten nach Kenntnis des Lecks schon vor längerer Zeit abgezogen. Die Liste stammte ursprünglich aus 2010 von der damaligen französischen Finanzministerin Christine Lagarde, die ihrem Amtskollegen die Liste überreichte. Erst kürzlich hatte die Liste wieder eine Rolle gespielt, denn Frankreich wurde zwei Jahre später nochmals um Zusendung gebeten. Das war wohl diesmal einem besser Informierten zu wenig Engagement: Jedenfalls erhielt Vaxevanis die Liste auf einem USB-Memory-Stick zugespielt und veröffentlichte deren Inhalt in seinem Magazin.
Richtig ist aber auch: Es ist natürlich nicht rechtswidrig, wenn Griechen Kapital auf Konten in einem anderen Land besitzen, falls sie dieses Geld deklarieren und Steuern gemäß der Gesetze zahlen. Hier greift die Kritik an der Veröffentlichung.
Wer sich Prinzipien leisten kann…
Es ist prima und vorbildlich, wenn sich Staaten Prinzipien leisten. Aber wie kann es sein, dass der griechische Staat eine vermeintliche Steuersünder-Liste zwei Jahre lang nicht einsetzen will. Sind hier tatsächlich rechtsphilosophische Bedenken der Grund? In Wirklichkeit stellt sich die Frage, weshalb der Staat individuelle Rechte schützt, die von den Betroffenen selbst verteidigt werden könnten. Wer zu Unrecht auf der Liste steht, der kann das Magazin schließlich verklagen.
Die Liste aus Frankreich hat längst eine symbolische Bedeutung erlangt. Wie kann es sein, dass ein Staat, der die Mehrzahl seiner Bürger bluten lässt, Steuersünder nicht konsequent verfolgt? Die Verhaftung des Enthüllers Kostas Vaxevanis jedenfalls legt nahe, dass sich in einem korrupten System korrupte Politiker und Eliten auf den Rechtsstaat verlassen und berufen, um die eigenen Pfründe zu verteidigen.
Dabei sollte ein funktionierendes Rechtssystem vor allem dem Schutz der Bürger vor Willkür des Staates und der Begrenzung von Macht in den Händen der Politiker dienen. Jeder mag jetzt selbst entscheiden, wer in Griechenland das Problem ist. Die „leaker“ oder die Eliten des Landes.
Für mich ist die Antwort klar.
Ihr Tacheles
UPDATE: Inzwischen wurde Vaxevanis freigesprochen. Vaxevanis erklärte im öffentlichen Interesse gehandelt zu haben. Er bedankte sich für den Mut der Richterin, die durch die Pressefreiheit in Griechenland gestärkt habe.