Das Rauschen gehört zum Spiel
Im Orient lauschten die Menschen den Märchenerzählern. Der Beruf ist nur scheinbar ausgestorben. Heutzutage betreiben Finanzverkäufer diesen wichtigen Job. Anleger müssen nur wissen, was sie von den vielen Geschichten, die jeden Tag neu und anders erzählt werden, halten sollen.
Wer sich nach den Tipps von Brokern richtet, kann auch seinen Friseur fragen, ob er einen neuen Haarschnitt empfiehlt.
Warren Buffett, amerikanische Börsenlegende (*1930).
Den größten Lärm an der Börse verursachen Analysten im Auftrag von Geldinstituten. Analysten untersuchen Aktien nach mathematischen Methoden und gehen dabei ähnlich wie Wirtschaftsprüfer vor, aber anders als die Buchprüfer wagen Börsenanalysten immer einen Blick in die Zukunft. Eigentlich ist die einzelne Meinung der Analysten recht irrelevant wie Forscher längst herausgefunden haben: Analysten drehen sich zudem nach dem Wind wie andere Anleger auch. Das Klappern der Analysten und ihrer Marketingabteilungen funktioniert deshalb so gut, da Anleger einen Anker für die eigenen Entscheidungen suchen. Da kommt ein „vermeintlicher“ Experte sehr gelegen.
Nehmen wir an, Analyst Breitner in London, der bei einer Großbank tätig ist, revidiert seine Meinung über ein Unternehmen und empfiehlt das Unternehmen verstärkt. Dann kommt Analyst Matthäus unter Druck mit seiner bisher leicht positiveren und natürlich laut geäußerten Einstellung und er (Matthäus) rechnet dann so lange nach, bis er ein noch höheres Kursziel ausgeben kann. Das wird dann wie natürlich laut heraus posaunt via eigener Hausmedien.
Investmenthäuser beschäftigen viele solche Zahlenmenschen, denn das Finanzunternehmen will nach außen Kompetenz ausstrahlen und wenn man schreiben kann, dass 200 Research-Mitarbeiter für ein Unternehmen tätig sind, dann klingt das besser als wenn man bekannt wäre, dass man auf die Vorhersagen einer Zigeunerin vom Jahrmarkt hört. Der Vorteil der Wahrsagerin wäre übrigens, dass ihre Leistungen deutlich günstiger zu bekommen sind. Aber die Kunden wollen Zahlen und Kursziele. Sie sind der Köder. So läuft das Spiel.
Eine absurd klingende Empfehlung
Am 10. August 2011 ging folgende Nachricht über die Ticker: „Barclays senkt Kursziel für Deutsche Bank von €55 auf €46, Overweight.“
Die britische Großbank reduzierte das Kursziel um immerhin neun Euro oder etwas über 16 Prozent. Overweight heißt in dem Zusammenhang, dass man bei einer Index- oder Branchennachbildung die Aktien der Deutschen Bank stärker in Betracht ziehen sollte als andere Bankhäuser. Das klingt alles nicht sehr dramatisch, wenn man nicht weiß, dass am 10. August der Abverkauf an den Börsen vor allem Finanztitel traf und französische Banken teilweise an diesem Tag mit Abschlägen von 20 Prozent gehandelt wurden. Die Deutsche Bank notierte nach einem scharfen Kurseinbruch im Handelsverlauf unter 28 Euro. Der Markt war insgesamt in einem kräftigen Korrekturmodus. Mitte September krazte die Aktie die 23 Euro. Exakt 50 Prozent unter dem reduzierten Kursziel. Gut wenn man solche Empfehlungen bekommt.
Wer also strikt nach der Empfehlung gegangen ist, der dürfte die Aktie des deutschen Bankhauses als Schnäppchen gesehen haben. Ob das der richtige Zeitpunkt zum Kauf dieses Titels war, steht auf einem völlig anderen Blatt, denn wenn der Markt nach unten ausbüchst, dann hilft einem die Meinung eines Analysten in London wenig weiter. Den richtigen Einstiegszeitpunkt wollen die Analysten nämlich gar nicht herausfinden – sie bedienen den Markt mit überwiegend positiven Meinungen. Dafür werden Vergangenheitsdaten gewälzt, Umsätze und Erträge in die Zukunft fortgeschrieben und das aktuelle Geschehen wird ausgeblendet. Also wird genau das gemacht, was eigentlich falsch ist und was jeder an der Börse wissen sollte. Dennoch hört es sich natürlich toll an, wenn ein Bankhaus Von Lebkuchen & Associates eine Aktie empfiehlt und von den eigenen riesigen Research-Teams und ausgezeichneten Analyseprozessen spricht.
Fazit: Das Anpreisen von Aktien gehört zum Spiel und Anleger sollten damit entsprechend umgehen.