Anlegerbrief an Sigmar Gabriel
Lieber Sigmar Gabriel,
wir würden Dich und Deine Partei sehr gerne 2013 wählen. Jedenfalls lieber als die Boygroup von den Liberalen oder die flotte Angie, die in der aktuellen Staatsschuldkrise keine gute Figur abgibt. Leider ist Deine Performance in den letzten Jahren ziemlich volatil und wir mögen als Langfristinvestoren keine großen Schwankungen. Weder an den Märkten noch ím politischen Geschäft.
Am 9. März 2012 war so ein Tief bei Dir. Du hast uns beschimpft und tief traurig gemacht: An einem Tag an dem private Anleger wie wir einen Rekord-Schuldenschnitt im Umfang von 100 Milliarden Euro hinnehmen mussten, hast Du sehr einfühlsam eine „Spekulantensteuer“ gefordert. Nicht eine Finanzmarkttransaktionssteuer, wie es auf der Homepage Deiner Partei heißt, sondern eine Steuer für Finanzpack stellst Du Dir also vor. Uns kannst Du eigentlich nicht gemeint haben, aber differenziert hast Du bislang auch noch nie. Dabei gehören wir zu den Betrogenen in der Sache mit den Griechenbonds.
Zuvor hatten Politiker in Griechenland uns jahrelang versichert, man würde uns unser Erspartes zurückzahlen. Deine Partei und andere Politiker hatten da nie genau hingeschaut. Wir haben darauf vertraut, dass Ihr Politiker wisst was Ihr tut. Jedenfalls haben wir nur geringe Zinsen von den europäischen Freunden verlangt (im Schnitt 4,5 Prozent). Jetzt am Tag des endgültigen „freiwilligen“ Schuldenschnitts müssen wir nicht nur auf etwa drei Viertel unseres Ersparten verzichten, sondern wir werden sogar von Dir regelrecht verhöhnt und beschimpft.
Das ist schade, denn wir würden gerne auf eine funktionierende Finanzwirtschaft und gerne mal wieder kompetente Politiker vertrauen können. In einer rechtsstaatlich fragwürdigen Art und Weise wurden wir nämlich entgegen bestehender Gesetze und ohne Verbraucherschutz enteignet. Kein Wort dazu von Dir. Dabei hatte Willy Brandt, Dein Chef im Geiste, am 28. Oktober 1969 in seiner ersten Regierungserklärung auf konfiskatorische Akte – zugegeben durch Steuern – verzichtet. Aber da hältst Du es wohl lieber mit Konrad Adenauer, den sein Geschwätz von gestern auch nicht interessiert hat.
Statt uns zu beschimpfen wäre es doch toll, wenn Ihr Sozis mal die Bundesregierung zu einer besseren Krisenpolitik veranlassen würdet. Aber außer einer Finanzmarkttransaktionssteuer, die Ihr bei Attac und den Grünen abgeschaut habt, sind seit Monaten keine zielführenden Vorschläge von Euch bekannt geworden. Kann es sein, dass es Euch an Kreativität und Sachverstand fehlt? Am 12. März habt Ihr beschlossen, Euren politischen Einfluss dahingehend zu nutzen, eine Finanzmarkttransaktionssteuer einzufordern. Ein typischer politischer Kuhhandel also. Wäre es nicht schicker gewesen, wenn Ihr endlich für die Griechen, Portugiesen und Spanier wirksamere Programme im Detail gefordert hättet. Dann würden wir nämlich Erfolgschancen sehen und das Ding mit den Griechenbonds wäre zwar immer noch ein Ärgernis, aber wir würden nicht ständig via Steuern schlechtem Geld gutes Kapital hinterherwerfen.
Kann es sein lieber Sigmar, dass Du Dich für unsere Anliegen aber auch so gar nicht interessierst? Als Politiker musst Du keine Probleme bei Deiner Altersvorsorge lösen. Deine Rente ist bereits sicher. Wir müssen noch daran arbeiten und auf risikoadäquate Renditen bestehen, um die eine oder andere Pleite zu kompensieren. So gerne wir die gesetzliche Rente als System unterstützen: Wer nicht für den Staat arbeitet, der benötigt eine private Vorsorge. Die Riester-Rente habt Ihr Politiker auch so gestaltet, dass wir Sparer Staatsanleihen zu Minizinsen kaufen müssen.
Nur mal so zu Deiner Info: Deutschland zahlt seinen Gläubigern derzeit Zinsen deutlich unterhalb des wahrscheinlichen Inflationsausgleiches – nach Steuern sowieso. Als Steuerbürger finden wir das prima. Als Anleger müssen wir unser Geld zu besseren Konditionen in anderen Ländern anlegen. Und Ihr müsst die Chinesen auf Konferenzen fragen, ob die nicht bei uns investieren wollen. Ist doch irgendwie blöd oder?
Herzlichst
Dein Tacheles
Artikelbild: Sigmar Gabriel. Quelle: SPD Parteivorstand.