Thyssen-Krupp: Börse gaga oder was?
Der Stahlkonzern Thyssen-Krupp meldete am Vortag einen Rekordverlust und dennoch war die Aktie Tagesgewinner im DAX. Wie passt das zusammen? Ein turbulenter Börsentag betrachtet.
Thyssen-Krupp beschäftigt 150 000 Menschen in 80 Ländern. Das Umsatzvolumen des Konzerns lag für das Geschäftsjahr 2011/12 bei 40 Milliarden Euro. Damit ist der Essener Konzern zwar kein ganz Großer weltweit, aber ein Leichtgewicht ist der Konzern an der Börse auch nicht. Die Nachrichten vom 10. und 11. Dezember 2012 hatten es jedoch in sich und waren geeignet dazu, Panik auszulösen.
Meldungen
Die wichtigsten Informationen waren bereits am Vortag der Bilanzpressekonferenz gemeldet worden. Die Meldung in der Version des Unternehmens vermengt alle kursrelevanten Informationen zu einem unverständlichen Brei. Die wichtigsten Stichworte dazu: Milliardenverlust, Vorstandsrochade, Schadenersatz, Dividendenausfall.
Am 11. Dezember 2012 fand die Bilanzpressekonferenz statt. Dabei erläuterten die Vorstände Heinrich Hiesinger und Guido Kerkhoff über den aktuellen Zahlenwust und ihre weiteren Pläne. Noch während der Veranstaltung erholte sich der Aktienkurs deutlich und bekam eine eigene Dynamik. Das Vertrauen der Anleger kehrte offenbar zurück.
Die eigentlichen Nachrichten des Tages: Der Stahlkonzern verbucht im Geschäftsjahr 2011/2012 ein Minus von rund fünf Milliarden Euro. Eine Dividende (Vorjahr 0,45 Euro) soll nicht gezahlt werden. Bereits im vergangenen Geschäftsjahr hatte das Unternehmen fast 1,8 Milliarden Euro Verlust gemacht. Die Hauptverlustbringer sind zwei Übersee-Investitionen, die zeigen, dass nicht nur staatliche Investments außer Kontrolle geraten können. Zudem hatte sich das Unternehmen von der Hälfte seines Vorstandes verabschiedet. Das war schon vorher bekannt.
Bereits am Tag zuvor war zudem bekannt geworden, dass der Konzern ehemalige Manager auf Schadenersatz in Höhe von 103 Millionen Euro verklagen will. Dabei handelt es sich sozusagen um Altlasten. Es geht um illegale Kartellabsprachen im Schienengeschäft. Der Vorstand setzt damit ein wichtiges Signal und will endlich mit illegalen Praktiken aufräumen im Konzern.
Börsenreaktion
Der Kursverlauf am 11. Dezember 2012 war gewöhnungsbedürftig für diejenigen, die nach fundamentalen Ursachen für Börsenkurse suchen. Zu Handelsbeginn fiel der Kurs von Thyssen-Krupp (THY) deutlich und vorbörslich waren die Abschläge sogar noch deutlicher ausgefallen. Im Xetra-Handel lag das Tagestief zunächst bei 15,70 Euro (ein Abschlag von drei Prozent zum Vortag). Danach setzte eine fulminante Rallye ein. Die Daten von XETRA lauten: Vortag 16,15, Tagestief 15,70, Tageshoch 17,56, Tagesschluss 17,17 (17.35 Uhr). Der Xetra-Tagesumsatz lag bei 250 Millionen Euro. Zum Vergleich dazu: Die Marktkapitalissierung liegt bei knapp neun Milliarden Euro.
Erklärungsversuche
Fundamentale Erklärungen für Börsenkurse müssen nur manche Journalisten liefern, die gelegentlich an Tagen wie diesem ins schlingern geraten.
Wer unbedingt eine Erklärung für den Kursverlauf sucht, dem sei ein alter Börsenspruch in Erinnerung gerufen: „Investiere, wenn die Kanonen donnern“. Dahinter steckt die Vermutung, dass es nach einer sehr schlechten Nachricht nur aufwärts gehen kann. Hier könnte auch angeführt werden, dass die Verluste aus Übersee einmalig anfallen und jetzt die Bilanz bereinigt ist. Hinzu kommt die Entschlossenheit des Vorstands, den Turnaround zu schaffen. Naja.
Allerdings sollten Anleger schon die dramatischen Relationen betrachten. Bezogen auf den aktuellen Börsenwert lag die Verlustmeldung für das abgelaufene Geschäftsjahr mit 5 Milliarden Euro bei über 50 Prozent der aktuellen Marktkapitalisierung der Aktie. Aber ein Großteil der Probleme war schon im Vorfeld bekannt und auch dafür haben Börsianer einen Begriff parat: Die Meldungen waren größtenteils schon „eskomptiert“ – im Kurs enthalten.