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Gabriel und SPD-Vorstand scheitern mit Rentenkonzept

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25. September 2012

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Wenn man es allen Recht machen will, dann kommt oft wenig heraus. Das muss derzeit Sigmar Gabriel feststellen. Gegen das SPD-Rentenkonzept regte sich Widerspruch. Der SPD-Chef besserte nach und öffnete die Büchse der Pandora.

Zurzeit melden sich fast sämtliche Parteien mit Rentenkonzepten zu Wort. Begonnen hatte Ursula von der Leyen mit der Zuschussrente und nachdem die Linkspartei ihre Vorstellungen verkündet hatte, legten auch die Sozialdemokraten eiligst ein Konzeptpapier vor. Die Rente mit 67 sollte erhalten bleiben hieß es zunächst vollmundig. Dafür hagelte es Kritik vom linken Flügel und von den Gewerkschaften. Ein angepasstes Konzept mit Ausnahmeregelungen wurde inzwischen vom Parteivorstand abgesegnet. Zudem steht das künftige Rentenniveau noch infrage – auch das ist ein Zugeständnis der flatterhaften Sozialdemokraten.

Die Ausgangslage

Das Niveau der gesetzlichen Rente soll bis 2030 von derzeit etwa 51 Prozent des durchschnittlichen Netto-Verdienstes auf dann 43 Prozent sinken. Gleichzeitig wird bis 2029 das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre angehoben. Dadurch sollte dem Demografieproblem, dass wir älter und weniger werden, begegnet werden. Denn ohne merkliche Korrekturen drohten die Rentenbeiträge weiter stark zu steigen. Dafür wollten die Politiker die private Vorsorge stärken.

Wegen geringer Einkünfte oder längerer Hartz-IV-Zeiten droht insbesondere Geringverdienern Altersarmut. Noch liegt der Anteil der als arm definierten Rentner bei 2,5 Prozent. Nach Berechnungen des Arbeitsministeriums dürfte es in Zukunft immer weniger Menschen gelingen, die Altersrente auf Nicht-Armutsniveau zu erreichen. Das ist zwar nichts Neues, führt aber zurzeit zu Handlungsdruck bei den politisch Verantwortlichen.

Quelle: IAB-Studie. 24.09.2012.

Zum bisherigen Reformwerk gehört wie beschrieben auch die Förderung der privaten Vorsorge. Leider wurde die Riester-Rente falsch konzipiert: Um einen Sparanreiz bei Geringverdienern zu schaffen, darf die private Rente später nicht auf die gesetzliche Rente oder andere Bezüge angerechnet werden. Eine aktuelle Studie bestätigt jetzt diesen Befund: Private Altersvorsorge wird ausgerechnet und durchaus rationalerweise von denen nicht betrieben, die es zur Vermeidung von Altersarmut am nötigsten hätten: Geringverdienern und Hartz-IV-Empfänger. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). So zahlen 17 Prozent der Hartz-IV-Empfänger in eine private Altersvorsorge ein. Bei Geringverdienern ohne Hartz-IV-Bezug sorgen immerhin 35 Prozent privat für das Alter vor, in der Gesamtheit liegt der Wert bei 48 Prozent.

Gute Ansätze aber…

Das Konzept der Sozialdemokraten beinhaltet Veränderungen des alten Reformwerkes: So sollen Beitragszahler bei 45 Versicherungsjahren weiterhin ohne finanzielle Abschläge mit 65 in Rente gehen können. Faktisch wird dadurch in vielen Fällen die Rente mit 67 ohne Prüfung der Notwendigkeit ausgehebelt. Wer eigentlich mit 67 in Rente gehen sollte, müsste nach bisheriger Regelung Abschläge für einen früheren Renteneintritt (0,3 Prozent je Monat) hinnehmen. Das soll sich über die Hintertür ändern. Die Sozialdemokraten meinen, dass von einer solchen Regelung in den nächsten Jahren bis zu 200 000 Beschäftigte profitieren könnten. Dieser Reformzusatz kostet die Rentenkassen vermutlich einen mittleren einstelligen Milliardenbetrag pro Jahr.

Ohne Einschränkung positiver sind andere im Konzept vorgesehene Änderungen und Ergänzungen zu beurteilen: Die Einführung einer „Solidarrente“ ist solch ein Beispiel. Mit 30 Beitrags- und 40 Versicherungsjahren soll  jeder Einzahler Anspruch auf diese Solidarrente, die künftig ein Minimum definiert – erhalten. Dieser Teil des Reformpakets soll richtigerweise aus Steuermitteln finanziert werden und 850 Euro betragen.

Ferner sollen „Solo-Selbstständige“ das Recht erhalten, in der gesetzlichen Rentenversicherung Mitglied zu werden. Ein anderer Punkt ist, dass diesmal die betriebliche Altersvorsorge gefördert werden soll. Fraglich ist dabei jedoch, ob diese Rentenform die richtige Antwort auf Erwerbsbiografien mit zunehmend mehr Brüchen im Leben sein kann. Es sieht mehr nach einem Anachronismus aus: Sozialdemokraten orientieren sich am Normalarbeitsverhältnis, anstatt den Aufbau eines Kapitalstocks bei der individuellen Privatvorsorge kräftig und nachhaltig zu stärken.

Der eigentliche Fehler…

Der Hauptfehler des eingeleiteten Prozesses durch den SPD-Vorstand ist jedoch nicht in der Sache, sondern im offenen Verfahren zu sehen. Zudem bleibt völlig unklar, weshalb sechs Jahre nach Einführung der Rente mit 67 jetzt plötzlich die Demografie keine Rolle mehr spielen soll. Mehr Kinder werden jedenfalls nicht geboren. Im Gegenteil. Warum die Solidarrente um eine faktische Absenkung des Renteneintrittsalters ergänzt wird, erschließt sich dem Beobachter jedenfalls nicht faktisch. Eine Begründung wäre allerdings notwendig, wenn man den Eindruck von politischer Willkür bei der Rentenpolitik vermeiden will. Was beim Rentenniveau passiert wird man sehen: Alleine der Eindruck, die Rente könne durch einen Federstrich erhöht werden, ist ein fatales Signal.

Offenbar muss man die SPD-Spitze als externe oder interne Interessengruppe nur ordentlich kritisieren und schon knickt der Vorstand ein. So stellt man sich gemeinhin blanken Populismus, aber keine verantwortliche Politik vor. Durch den aktuellen Vorstandsbeschluss wird jetzt die sprichwörtliche Büchse der Pandora, die bekanntlich über die Welt alles Schlechte hereinbrechen lässt, geöffnet. Dabei gab es durchaus gute Gründe, das Konzept im Prinzip (Rente mit 67 und Rentenniveau) beizubehalten und zusätzliche Leistungen wie die Solidarrente oder eine Sockelrente durch Steuergeld zu finanzieren. Die Steuerfinanzierung ist in jedem Fall ehrlicher, auch wenn damit das Geld noch nicht in der Kasse ist. Würde das Rentenkonzept der SPD umgesetzt, bei dem faktisch das Renteneintrittsalter willkürlich zurückgedreht wird, dann ginge jedenfalls ein hart erkämpfter Nachhaltigkeitsfaktor im System verloren.

Artikelbild: SPD-Pressefoto.
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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.