Michael Mellinghoff von sharewise: Die meisten Banken haben die Aktienberatung eingestellt
Das Gespräch mit Michael Mellinghoff, Geschäftsführer von sharewise, fand am Rande des Börsentag Berlin statt. Mellinghoff erläutert das Konzept der Aktiencommunity, woran Anleger gute Anlageempfehlungen bei sharewise erkennen können und wie Experten bei der Aktienanlage abschneiden.
Herr Mellinghoff, Sie vertreten sharewise auf dem Börsentag Berlin. Welche Leistungen bietet Ihr Unternehmen Anlegern an?
sharewise ist eine Aktiencommunity im Internet, die es Usern ermöglicht, Empfehlungen auf der sharewise-Seite zu publizieren. Wir messen, wer am häufigsten mit seinen Aktienempfehlungen richtig liegt.
Die Empfehlungen beziehen sich nur auf Aktien – oder auch auf andere Wertpapiere?
Unser Fokus liegt klar bei Aktien. Wir haben kürzlich einige Indizes und ETFs aufgenommen, weil unsere User den Wunsch geäußert haben, Meinungen zu Indizes abgeben zu können.
Seit wann gibt es das Unternehmen und welche Informationen findet man bei Ihnen?
sharewise wurde 2007 von Stefan Nothegger gegründet. Es gibt uns also schon länger am Markt und seitdem sammeln wir die Empfehlungen von Privatanlegern, die sämtlich auf unserer Plattform abrufbar sind. Transparenz ist uns besonders wichtig und wir lassen beispielsweise keine Löschungen von wenig erfolgreichen Empfehlungen zu. Das sorgt bei den Usern für Verantwortung für die eigenen Empfehlungen. Sie bauen eine eigene Online-Reputation auf. Dadurch wird ihre und unsere Glaubwürdigkeit erhöht.
Der Ranglisten-Algorithmus von sharewise
Bei der Auswertung der Aktien setzen Sie auf einen speziellen Prozess. Wie läuft der ab?
Wir haben einen Ranglisten-Algorithmus etabliert. Das ist eine Mitglieder-Rangliste, bei der diejenigen oben stehen, denen es kontinuierlich gelingt, eine sogenannte „Outperformance“ zu generieren, also den Markt kontinuierlich zu schlagen. An unseren Top-Usern können sich solche, die es werden wollen, orientieren.
Wie läuft dieser Bewertungsprozess ab?
Wir werten regelbasiert alle Aktienempfehlungen in Empfehlungsdepots aus, dabei messen wir die durchschnittliche Rendite. Diese setzen wir dann ins Verhältnis zu einer Benchmark. Aus der Differenz berechnen wir einen Wert, der die Position in der Rangliste bestimmt.
Wie entsteht Analyse-Qualität bei Ihnen und wie ist diese überprüfbar?
Neben der erwähnten Transparenz haben wir in dem Ranglisten-Algorithmus einige qualitative und quantitative Kriterien eingebaut. Auch der Ranglisten-Algorithmus selbst ist natürlich offen und bekannt. Damit sind die Veränderungen in der Rangliste für alle User nachvollziehbar. Ein Kriterium für die Auswahl ist der Aktivitätsmesser: Ein User, der Top-Mitglied sein möchte, muss mindestens einmal im Monat eine neue Empfehlung für eine Aktie eröffnen. Ein vorgegebenes Kriterium ist die Handelsliquidität der untersuchten Aktien: Wir messen für die Rangliste nur die Einschätzungen, die für liquide Aktien abgegeben werden. Wobei wir „liquide“ definieren als mindestens 500 000 Euro Tagesumsatz im 3-Monats-Durchschnitt. Keine Pennystocks, keine Microcaps, keine Smallcaps. Alle am Börsenplatz Frankfurt gehandelten Aktien können aber empfohlen werden.
Über die Community und Schwarmintelligenz
Wie groß ist Ihre Community?
Aktuell haben wir über alle Plattformen, die sharewise betreibt, 150 000 registrierte Nutzer.
Wie aktiv sind diese Nutzer?
Es gibt einen Teil der User, die aktiv sind oder sogar sehr aktiv sind. Viele User sind vorerst natürlich noch passiv dabei. Wir haben Einsteiger bei uns, die zunächst schauen wollen und erst sukzessive ihre Aktienmeinung als Empfehlung ausdrücken. Sehr beliebt sind bei uns Gewinnspiele, bei denen wir beispielsweise Silbermünzen ausloben, um Aktivität zu belohnen.
Sie haben einen stark strukturierten Prozess hinterlegt, um die Empfehlungen auswerten zu können. Widerspricht das nicht der gewünschten Kreativität und Vielfalt bei Aktienempfehlungen?
Das sehe ich nicht so. sharewise folgt dem Prinzip der „wisdom of crowd“. Das wird mit der „Weisheit der Vielen“ oder auch „Schwarmintelligenz“ übersetzt . Wir haben aktuell 19 000 Wertpapiere auf der Plattform, zu denen man Empfehlungen zum Kaufen oder Verkaufen abgeben kann. So gesehen ist der Kreativität freier Lauf gelassen. Wir stellen mit unserem Ranglisten-Algorithmus nur sicher, dass User die Empfehlungen und die Empfehlungsgeber besser einschätzen können.
Über den Vergleich mit „Profis“
Ich habe auf Ihrer Site auch einen Punkt „Analysten“ gefunden. Was verbirgt sich dahinter?
sharewise ist bankenunabhängig und das versetzt uns in die Lage, Aktienmeinungen von institutionellen Analysten einfach und transparent mit messen zu können. Dabei verwenden wir das gleich Verfahren wie für unsere User. Die Empfehlungen stammen von ca. 80 Bankanalysten oder institutionellen Analysehäusern.
Wie schneiden die „Profis“ ab?
In unserer Weltrangliste findet sich derzeit unter den Top 20 kein einziger institutioneller Analyst und keine einzige Bank. So gesehen stellt sich für Anleger schon die Frage, warum sollte man zu einer Bank gehen und sich dort beraten lassen, wenn man auf einer Internetseite kostenlos bessere Aktienempfehlungen erhält.
Das klingt provokativ. Sie treten also gegen die Banken an?
Nein. Wir sehen uns als gute, hilfreiche Ergänzung und als Ansporn. In den letzten Jahren nach der Finanzkrise konnten wir in der Bevölkerung eine gewisse Unzufriedenheit beobachten. Diese greifen wir mit unserem Unternehmenskonzept auf. Zumal fast alle Banken die Aktienberatung eingestellt haben. Speziell für die Kunden mit wenig Anlagevermögen lohnt sich das aus Bankensicht – leider – nicht mehr.
Hat es schon Reaktionen von den Banken auf sharewise gegeben?
Wir haben bislang erstaunlich wenig Resonanz von den Banken erhalten, obwohl alle namhaften Bankhäuser auf unserer Seite gelistet sind. Es gab vereinzelte Reaktionen, die das sowohl positiv als auch negativ beurteilten. Wir wurden sogar einmal in einer Pressemeldung als Referenz genannt, als eine Bank mit ihren Empfehlungen in unserer Rangliste einen vorderen Platz belegte. Das freut uns natürlich und zeigt, dass wir im Markt beachtet werden.
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Michael C. Mellinghoff verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung an der Börse und ist seit 1999 im Wertpapiergeschäft tätig. Er bekleidete in der Finanzbranche diverse Führungspositionen in Frankfurt, München und Warschau. Er leitete u.a. den ADIG-Europavertrieb der Cominvest Asset Management, war von 2004 bis 2006 Vorstand der Skarbiec TFI S.A, eine der führenden Fondsgesellschaften Polens, und verantwortete in der DZ Bank AG, Frankfurt das Retail-Geschäft mit strukturierten Wertpapierprodukten in Österreich und Osteuropa. Seit September 2010 ist Michael Mellinghoff Geschäftsführer der sharewise GmbH.
Über sharewise
Die Sharewise GmbH ist eine Web 2.0-Online-Community für Aktien, sowie ein Finanzportal und soziales Netzwerk. Dem Geschäftsmodell liegt die Idee zugrunde, mehr Transparenz bei Anlageempfehlungen zu erreichen und gute Anlageentscheidungen zu fördern. Auf der sharewise-Plattform werden sowohl Aktienempfehlungen von privaten Anlegern als auch professionellen Analysten publiziert und im Rahmen des sharewise-Rankingalgorithmus bewertet und publiziert. Die User sehen auf einen Blick, wie sie im Wettbewerbsvergleich stehen. Die Teilnahme an der Aktien-Community sharewise ist kostenlos für Anleger. Daneben bietet sharewise auch einen kostenpflichtigen Börsenbrief an.
Zu sharewise geht es hier. Das Gespräch von Michael Mellinghoff mit Thorsten Cmiel fand während des Börsentag Berlin 2012 statt.